R2Gut?

Kurz vor der Wahl stellt sich die Frage:
War Rot-Rot-Grün eine erfolgreiche Koalition? Sicher ist: Sie hat vieles angeschoben – und mehr geleistet als die SPD-CDU-Vorgängerregierung

Innenpolitik: Räumung der Liebig34 im Oktober 2020 Foto: Future Image/imago

Von Bert Schulz

Als im Dezember 2016 in Berlin die Koalition aus SPD, Grünen und Linken stand, fragten sich viele, auch in der taz: Wird es jetzt einen großen gesellschaftlichen und politischen Aufbruch geben? Ist Rot-Rot-Grün gar ein Projekt?

Vorangegangen waren fünf politisch dröge Jahre unter einer SPD-CDU-Koalition, deren gemeinschaftliches Handeln sich in der Hoffnung erschöpfte, dass der Pannenflughafen BER endlich fertig werden würde. Er wurde es bekanntlich erst unter der Nachfolgeregierung. Viele andere drängende Entwicklungen – das Wachstum der Stadt, die Folgen für Verkehr und Mieten – ignorierten Union und SPD lieber.

Rot-Rot-Grün hingegen schob vieles an, etwa beim Klimaschutz und in der Verkehrspolitik, traute sich liberale Reformen in der Innenpolitik, begann wieder, im großen Stil Wohnungen zu bauen und zu kaufen, setzte Schwerpunkte im kulturellen Bereich und traute sich sogar mit dem – letztlich vor Gericht gescheiterten – Mietendeckel auf gänzlich neues politisches Terrain vor.

Dennoch schwand die anfängliche Euphorie unter den Senatsmitgliedern recht rasch angesichts der Mühen der politischen Ebenen und der Erkenntnis, dass viele Vorhaben viel länger dauerten als erhofft und wohl auch erwartet. Schnell wurde klar: Für eine wirklich erfolgreiche Bilanz dieser Koalition würde es eine zweite Legislaturperiode brauchen.

Bildung: Problem Lehrermangel Foto: Jürgen Ritter/imago

Dazu kam Corona. Die Pandemie stellte auch Berlins Regierung vor nie gekannte Herausforderungen. Viele Se­na­to­r*in­nen wuchsen angesichts dieser Aufgabe, allen voran der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD). Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) wurde aus der Nische ins Rampenlicht geschleudert, was ihrer Arbeit nicht unbedingt guttat: Zu vielen Initiativen musste sie von Se­nats­kol­le­g*in­nen erst gedrängt werden, nicht immer wirkte sie der Aufgabe gewachsen.

SPD-Finanzsenator Matthias Kollatz, der während dieser Legislatur seinen anfänglichen Doppelnamen verlor, verhagelte die Pandemie seinen Plan, den hoch verschuldeten Landeshaushalt zu sanieren. Stattdessen musste er für die Corona­hilfsprogramme neue Schulden in Rekordhöhe aufnehmen.

Und auch die Bilanz von Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) lässt sich wohl erst dann abschließend bewerten, wenn die Folgen der Pandemie – in diesem Fall etwa auf die Insolvenzen von Unternehmen – wirklich zu überblicken sind.