NETTES GOODBYE-GIMMICK: Displaykunst
Meine Handys erzeugen immer komische Bilder, wenn sie kaputtgehen. Besser: Sie erzeugen Kunst. Nach dem totalen Error pixelt sich das Display einen Kandinsky oder einen Malewitsch zurecht – nicht ganz so formvollendet, aber wer wollte das erwarten. Ich empfinde es als nettes Goodbye-Gimmick, dieses digitales Zufallsprodukt.
Nun war es wieder so weit: Ich lag dösend im Volkspark Hasenheide, und als ich wieder aufwachte, war das Handy hinüber. Ich hatte das Ding wohl brutal in der Hosentasche zerquetscht, nichts ging mehr. Aber es gab wieder ein Abschiedsbild. Diesmal ein großer Schmollmund, in Roy-Liechtenstein-Manier. Gemahnte mich dieser Kussmund daran, dass man sich mal wieder verlieben könnte? Als ob ich da nicht schon selbst drauf gekommen wäre. Im Park um mich herum turtelten schließlich alle herum, als wollten sie sagen: Los komm, verlieb dich, ist Frühjahr!
Ich brauchte ein Ersatzhandy und machte mich auf den Nachhauseweg. Dabei lernte ich eine sympathische junge Frau kennen, wir gingen eine Weile die Hermannstraße runter. Also doch verlieben? Sie sagte, es wäre ja nett, mal was zusammen trinken zu gehen. Dann aber fiel ihr ein, dass sie zwei Stunden später bereits zurück nach Russland flog, wo sie herkam.
„Hm“, sagte ich, „vielleicht ja in fünf Jahren, wenn du das nächste Mal in Berlin bist.“ „Ja“, sagte sie. Wir tauschten Skype-Namen aus. Mit Handynummer war es bei mir ja schlecht gerade.
Wieder zu Hause, holte ich ein altes Handy aus der Wühlkiste. Hatte mir mal jemand geschenkt. Ich aktivierte es. Minuten später blinkte eine Erinnerung auf. Musste wohl vom Ex-Besitzer sein. „Hasi und ich heute sechs Jahre zusammen“, stand dort geschrieben. Die Nachricht wird Hasis Partner oder Partnerin nicht mehr erreichen. Aber ich habe wieder ein funktionierendes Handy. JENS UTHOFF
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen