berliner szenen: Er weiß nichts von mir
Was will bloß dieses Tier von mir? Immer, wenn ich mich umblicke, ist da dieser seltsame Hund. Am Schlesischen Busch ist er mir das erste Mal aufgefallen. Er lag neben einer der Parkbänke und schien zu schlafen, die Lieblingsbeschäftigung eines jeden Hundes. Aber kaum laufe ich vorbei, gesellt er sich wie selbstverständlich zu mir, so, als seien wir verabredet gewesen.
Zunächst nehme ich die Situation nicht ernst und widme mich ungestört meinem Atem, um die üblichen Seitenstiche zu vermeiden. Erst als der Hund am Treptower Hafen immer noch hinter mir ist, beginne ich mir Sorgen zu machen. Wem könnte der Hund gehören? Ist er der Person davongelaufen? Oder gehört er etwa sich selbst und sucht sich auch seinen Futtermeister aus?
Beim Sowjetischen Ehrenmal mache ich eine Pause und studiere den Hund genauer. Er ist nicht gerade eine Schönheit. Sein Fell ist schimmlig schwarz, seine Lefzen sind bereits ganz grau. Aber er hat große schwarze Augen, die mich aufmerksam anblicken. Bin ich geeignet? Aber was soll ich mit einem Hund anfangen? Ich bin oft verreist, und meine Nachbarn möchte ich nicht mit der Bitte quälen, morgens um fünf mit einem Hund Gassi zu gehen. Ich versuche den Hund zu locken und rufe nach ihm. Aber er rührt sich nicht. Sicher ist sicher, denkt er vielleicht. Er weiß schließlich nichts von mir.
Meine überirdische Freude damals, als ich mit zehn Jahren einen Hund zum Geburtstag geschenkt bekam, ist ihm natürlich fremd. Ich spüre dieses Glück nach wie vor in mir. Ich lächle tief in mich hinein und hoffe, auch der Hund spürt dieses Glück irgendwie. Hunde sollen doch eine Art siebten Sinn haben. Als ich wieder zu dem Hund blicke, ist er verschwunden. Durchgefallen, denke ich, ich habe die Prüfung nicht bestanden.
Henning Brüns
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