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So klappt's mit Corona-ImpfungGeld oder Leben!

Die Corona-Infektionszahlen steigen, die Impfkampagne in Deutschland lahmt. Was kann helfen? Wir hätten da ein paar Vorschläge.

Welchen Impfstoff hätten Sie denn gerne? Angebot im Impfzentrum Dresden Foto: Matthias Rietschel/reuters

FFP2, mRNA, MPK, PCR, AHA, RKI: Etliche Abkürzungen haben wir in den eineinhalb Jahren der Coronapandemie bereits gelernt. Relativ neu, aber für die Debatte der nächsten Wochen und Monate unerlässlich sind 3G und 2G. Ersteres steht hier nicht für die Geschwindigkeit von mobilem Internet, sondern für: Geimpft, Genesen, Getestet. Letzteres nur für Geimpft und Genesen.

Beim 2G-Modell würden Ungeimpfte an weiten Teilen des sozialen Lebens nicht mehr teilnehmen können – der Druck auf sie würde also steigen. Doch dazu konnte sich die Politik noch nicht durchringen als am Dienstag nach langer Zeit die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK!) wieder tagte. Eigentlich sollte sie das erst Ende August tun, doch weil – dank der ansteckenderen Deltavariante – die Fallzahlen seit einigen Wochen wieder stark steigen, wurde die Runde vorgezogen.

Gleichzeitig stockt die Impfgeschwindigkeit. Während im Mai und Juni täglich bis zu 1,5 Mil­lio­nen Menschen in Deutschland geimpft wurden, sind es derzeit nur noch rund 500.000. Gut 56 Prozent der Bevölkerung gelten offiziell als vollständig geimpft. Kanzlerin Merkel nannte am Dienstag als Ziel der Impfkampagne „eine Impfquote von 80 bis 85 Prozent der über 12-Jährigen“.

Neben dem Ende der kostenlosen Tests – noch ein Druckmittel für Ungeimpfte – ab Mitte Oktober beschloss die MPK nun das 3G-Modell. Ab einer Inzidenz von 35 sollen etliche Veranstaltungen in Innenräumen nur noch Geimpften, Getesteten und Genesenen offen stehen.

Die Beschlüsse können als Warnschuss gesehen werden. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) machte kurz nach der Sitzung keinen Hehl daraus, dass er schärfere Maßnahmen begrüßt hätte. „Der eine oder andere“ wolle vor der Bundestagswahl „nichts Abschließendes entscheiden“. 2G werde so oder so ab einem bestimmten Zeitpunkt kommen.

Doch ist das wirklich so alternativlos? Welche Anreize fürs Impfen schaffen andere Staaten, welche Ideen werden bereits umgesetzt?

Nur mit Pass

In Frankreich zeigt sich aktuell, dass auch sanfter Druck mit einer umfassenden 3G-Regel wirken kann. Präsident Emmanuel Macron hatte Mitte Juli den „pass sanitaire“ (Gesundheitspass) angekündigt, der für fast alle Bereiche des öffentlichen Lebens notwendig ist. In der Nacht nach Macrons Rede hatten knapp 1 Million Fran­zö­s:in­nen einen Impftermin vereinbart. Ständige Tests waren für den ein oder anderen Unentschlossenen wohl zu anstrengend. Zumal ab Mitte Oktober auch in Frankreich die Schnelltests nicht mehr kostenlos sein werden.

Manche Berufsgruppen wie Pflegekräfte, Gastronomiemitarbeitende oder Feuerwehrleute müssen sich generell impfen lassen, sonst droht Lohnentzug oder Kündigung. Doch nicht nur die Impfquote ist in die Höhe geschnellt – auch die Zahl der Menschen auf der Straße, die seit Wochen gegen die Maßnahmen protestieren.

Es gibt was umsonst!

Schon vor der Coronapandemie gab es in den USA für den Besuch der Grippeimpfung Gutscheine. Gegen Covid-19 gibt es je nach Bundesstaat oder Stadt andere Anreize: Tickets für den Super Bowl, Lizenzen zum Fischen oder Jagdgewehre. Die Donut-Kette Krispy Kreme verspricht Geimpften einen kostenlosen Donut – jeden Tag, bis zum Ende des Jahres. Die Diabetesbehandlung kann man sich dann von der nicht vorhandenen Krankenkasse bezahlen lassen.

Auch andere Länder werben mit Geschenken um Impfwillige. Eier in China, Eintopf in Israel, 1.000 Rubel für über 60-Jährige in Russland, ein Besuch im Folterkeller der Draculaburg in Rumänien, eine Ziege auf der indonesischen Insel Java oder zwei zusätzliche Urlaubstage für Staatsbedienstete in Tschechien.

Und Deutschland? In Thüringen wurden neulich vor einem Impfzentrum umsonst Bratwürste verteilt. Tatsächlich kamen mehr Menschen. Solche Aktionen sind aber die Ausnahme.

Ein Sechser im Impflotto

Ein anderer Ansatz ist die Impflotterie. In Polen wurden 31 Millionen Euro in die Hand genommen, der Hauptgewinn sind knapp 220.000 Euro und ein Hybridauto; in Ohio gab es bis Juni wöchentlich 1 Million Dollar oder für Minderjährige die Aussicht auf ein College­stipendium.

Was verlockend klingt, war aber nicht unbedingt von Erfolg gekrönt: Laut einer Studie der Boston University konnte ein Effekt der Lotterie nicht festgestellt werden. Überhaupt sind die Ergebnisse gemischt. Eine Studie der HU Berlin hat untersucht, ob finanzielle Angebote die Impfbereitschaft erhöhen: Ab etwa 50 Euro steigert sich der Impfwille von Unentschlossenen um 5 Prozent. Eine Studie der Uni Erfurt ergab hingegen, dass ein monetärer Anreiz keinen Unterschied macht.

Das Private ist politisch

Was die deutsche Politik mit Blick auf die Bundestagswahl noch nicht beschließen will, setzt in einigen Bereichen jetzt die Privatwirtschaft um. So hat etwa der 1. FC Köln angekündigt, ab dem zweiten Heimspiel der Saison auf 2G zu setzen. Nur negativ getestet kommt keiner mehr ins Stadion. Geschäftsführer Alexander Wehrle sagte: „Ein Impfzwang ist nicht das Ziel“, aber auch: „Natürlich wollen wir dabei helfen, die Impfquote weiter zu erhöhen.“

Welche der Kölner Karnevalisten sich ab dem 11. 11. vergnügen dürfen, ist noch nicht klar. In Düsseldorf ist man weiter: „Wir werden zu unseren Veranstaltungen keinen Eintritt gewähren, wenn lediglich ein negativer Coronatest vorliegt“, sagte der Geschäftsführer des Comitees Düsseldorfer Carneval, Hans-Jürgen Tüllmann, der Rheinischen Post. Man wolle so auch dazu aufrufen, sich impfen zu lassen.

Die Pflicht zum Piks

Von der Bundesregierung kamen bislang wenig Ideen. Die Impfkampagne in Deutschland besteht vor allem aus Werbeplakaten mit Uschi Glas und Günther Jauch. Der Rest wird Ländern und Kommunen überlassen.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und rund um die Uhr bei Facebook und Twitter.

Mit gut 56 Prozent Vollgeimpften steht Deutschland nicht schlecht da, doch Länder wie Dänemark, Portugal und Spanien sind mit über 63 Pro­zent deutlich weiter. Wobei an den offiziellen Zahlen des RKI Zweifel aufkamen. Während die Erstimpfungen unter den 18- bis 59-Jährigen hier aktuell bei 59 Prozent liegen, ergab eine Umfrage eine Quote von 79 Prozent. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen, da die Befragten eine überdurchschnittliche Impfbereitschaft zeigten.

Aufgrund der Deltavariante haben Experten die Hoffnung auf eine Herdenimmunität aufgegeben. Jetzt gilt es, dass sich so viele wie möglich impfen lassen, um schwere Verläufe, Todesfälle und eine Überlastung des Gesundheitswesens zu verhindern. Hilft also zum Schluss doch nur eine Impfpflicht? Bislang gibt es die nur in Ländern wie Tadschikistan, Turkmenistan und dem Vatikan; in Frankreich, Italien und Griechenland für bestimmte Berufsgruppen.

In Deutschland wäre eine Impfpflicht nichts Neues: In der DDR galt sie bei zig Erkrankungen, zum Teil auch in der Bundesrepublik – etwa bei der Pockenimpfung zwischen 1949 und 1975. Seit letztem Jahr ist die Masernimpfung Pflicht für Gruppen wie Kindergartenkinder, Beschäftigte im Gesundheitswesen oder Geflüchtete, die in Gemeinschaftsunterkünften wohnen. Der Aufschrei blieb vergleichsweise leise.

Für die Corona-Impfung hat sich die Bundesregierung diesen Weg verbaut. Sie erklärt seit Monaten, dass es keine Impfpflicht geben wird. Ob ein solcher Zwang rechtlich überhaupt Bestand hätte, ist nicht geklärt. Die Masern-Impfpflicht liegt aktuell beim Bundesverfassungsgericht. Die Devise lautet also weiterhin: Das Leben soll ohne die Impfung einfach unangenehmer werden.

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