Verdrängung: Das Umdenken hat begonnen
Auf der Freiraumkonferenz ziehen Kulturschaffende und Politiker*innen eine positive Bilanz. Zahlreiche Orte wurden gerettet.
Die Stadt wächst und verdichtet sich, immer mehr Künstler*innen finden keine Arbeitsräume mehr. Und doch haben sich in den letzten vier Jahren zahlreiche Kulturschaffende mit der Politik zusammengetan, um ihre Orte durch die Renditeerwartungen der Immobilienwirtschaft zu navigieren. Das Haus der Statistik, die Alte Münze, das Dragonerareal, die Wiesenburg, das RAW-Gelände: All dies sind Projekte, die mit viel Ideenreichtum und neuen Allianzen für Aufmerksamkeit sorgten.
Nun kommen sie noch einmal auf zahlreichen Panels live und online in der Freiraumkonferenz der Clubcommission Berlin zu Wort, die noch bis Donnerstag geht. Die Frage lautet, ob in dieser Stadt nach jahrelangem Ausverkauf endlich ein Umdenken begonnen hat – und wie es damit weitergehen könnte.
Die Bilanz eines der ersten Panels der Konferenz fiel erstaunlich positiv aus. Es fand am Mittwochabend im ehemaligen Obdachlosenasyl und heutigen Künstlerdomizil Wiesenburg im Wedding statt. Erst letzten Sommer haben die Mieter*innen einen Kooperationsvereinbarung mit Bezirk, Senat und Besitzerin des Areals, der landeseigenen Wohnungsgesellschaft degewo, unterzeichnet.
Es sieht also gut aus für die Wiesenburg. Dementsprechend beschwingt klingt Mitstreiter Enno Kuck, wenn er beschreibt, wie sehr man im Kampf ums Bleiben Partner*innen braucht – und wie schnell man sie auch findet. „Glaubt nicht, ihr könnt das ganz alleine machen“, sagte er.
Überraschend einverstanden
Auch andere zeigten sich überraschend überzeugt vom Dialog insgesamt zwischen Berlins Politik der letzten vier Jahre und Kulturschaffenden vor Ort – auch, wenn sie diesen oft als eher schwierig eingeschätzt hatten. Die Koalition der Freien Szene äußert sich beispielsweise bis heute ausgesprochen kritisch zu einem Beteiligungsprozess, den 2019 Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) zur Entwicklung der Alten Münze am Molkenmarkt zum Kulturareal angestoßen hatte. Nun sagte Wibke Behrens von der Freien Szene auf dem Panel, man müsse „die Projekte auch mal als Erfolge werten“.
Wann Bis heute, 19. August.
Was Um 12 Uhr gibt es u. a. ein Panel zu vereinfachten Genehmigungsverfahren für Feiluftpartys, um 16 Uhr eins zu den Möglichkeiten eines partizipativen Tempelhofer Flughafens, um 17 Uhr eins zu Formen kreativen Widerstands.
Wie www.freiraumkonferenz.de
Aber wird es nach den Wahlen in diesem Stil weitergehen? Selbst diesbezüglich herrschte gute Laune auf dem Panel. Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung von Berlin-Mitte Ephraim Gothe (SPD) wusste zwar viel darüber zu erzählen, wie wenig Festschreibung in der Politik möglich ist, ging aber dennoch davon aus, dass etwa große Projekte wie das Haus der Statistik am Alexanderplatz weitergehen werden.
Schon jetzt ist auch dieses riesige Areal zu einem Modellprojekt für gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung in der der wachsenden Metropole geworden – es soll ein Ort entstehen mit Flächen für Kunst und Kultur, soziale Projekte, günstiges Wohnen, aber auch öffentliche Behörden. „Selbst eine rot-gelbe Koalition würde das Haus der Statistik nicht wieder umdrehen“, so Gothe.
Es scheint, als habe die Politik begriffen: Diese Stadt der großen Alternativen darf nicht so beliebig werden wie andere. Um das zu erreichen, bleibt auch der zukünftige Senat besser auf Augenhöhe mit jenen, die das verhindern können.
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