Rechtsextreme Chatgruppe in der Polizei: Hitler als Zufallsfund
Die Berliner Polizei ermittle intern zu langsam, kritisieren Grüne und Linke. Die CDU wirft ihnen Hass auf Polizisten vor.
Anlass der Debatte im Ausschuss war die Mitte Juli aufgedeckte mittlerweile dritte Chatgruppe, in der Polizist*innen offenbar rechtsextreme Inhalte geteilt hatten. Darüber hinaus war zuletzt eine ähnliche Gruppe unter Berliner Polizeischüler*innen aufgeflogen.
Benedikt Lux, Innenexperte der Grünen, kritisierte, dass die Polizei zu lange brauche für die internen Ermittlungen. Konkret ging es um ein bei einem verdächtigen Polizisten beschlagnahmtes Mobiltelefon, dessen Auswertung mehr als ein Jahr dauerte. „Da hat die Polizei ein heißes Handy. Warum schaut man da nicht mal rein, was drauf ist, sondern wartet auf die Gesamtauswertung?“
Am 14. Juli waren die Wohnungen von fünf Polizist*innen durchsucht worden, die in einer Chatgruppe namens „Die Eierköppe“ rechtsextreme Inhalte geteilt haben sollen. Dabei wurde eine „nicht unerhebliche Menge an Datenträgern“ beschlagnahmt, berichtete Polizeivizepräsident Marco Langner im Ausschuss.
Die Chatmitglieder sollen von November 2017 bis November 2019 Bild- und Videodateien ausgetauscht haben. Ermittelt werde gegen sie wegen Volksverhetzung und des Verwendens von verfassungsfeindlichen Symbolen. Den Beamt*innen auf die Spur gekommen war die Polizei laut Langner durch frühere Ermittlungen gegen den Polizisten Detlef M.
Er war Teil einer anderen Chatgruppe vor allem mit AfD-Mitgliedern, in der er kurz nach dem Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz 2016 Polizeiinterna teilte. Von M. wiederum weist eine Spur zu einem Neonazi, der als Hauptverdächtiger im sogenannten Neuköllnkomplex gilt, einer bisher nicht mal ansatzweise aufgeklärten Reihe von mutmaßlich rechtsextremen Anschlägen vor allem auf Linke.
Keine Verbindungen zur Neuköllner Anschlagsserie
Laut Polizeivizepräsident Langner gebe es bei der jüngsten aufgeflogenen Chatgruppe bisher keine Verbindungen zum Neuköllnkomplex. Unklar blieb am Montag jedoch, in welchen Dienststellen die Beamten arbeiteten – Auskünfte dazu könnten die Ermittlungsarbeit gefährden, sagte Langner.
Ins Leere lief die Verteidigungsstrategie von Innensenator Andreas Geisel (SPD). Er hatte zu Anfang der Sitzung betont, dass die gehäufte Aufdeckung rechter Chatgruppen „Ergebnis unseres Handelns“ sei. Man ermutige die Polizisten, solche Fälle nicht mehr zu tolerieren, sondern zu melden. Tatsächlich sprach aber auch Stefan Redlich, Vizechef des Berliner Landeskriminalamts (LKA), im Ausschuss von „Zufallsfunden“, die auf die Spur der Chatgruppen geführt hätten.
Das sei auch ein Grund für die lange Dauer der Ermittlungen: Man habe erst prüfen müssen, ob es für andere Verfahren genutzt werden konnte. Ein anderer Grund sei die immense Anzahl von Daten auf dem Handy: „Wir reden hier von 200.000 Whatsapp-Nachrichten, 32.000 Bilddateien und Hunderten von Kontakten. Das alles musste mit einer gewissen Gründlichkeit geprüft werden“, sagte Redlich. Es spreche für die gründliche Arbeit des Staatsschutzes im LKA, dass aus Hunderttausenden Nachrichten eine verdächtige und aus Tausenden Bildern 19 verdächtige Dateien gefunden worden seien.
Neue Schulungen für Führungskräfte
Um solche Fälle künftig früher zu erkennen, gäbe es laut Redlich neu entwickelte Schulungen für Führungskräfte. Zudem soll künftig ein bisher nur für die Korruptionsbekämpfung in der Polizei genutztes anonymes Hinweisgebersystem auch für diese Delikte genutzt werden.
Die Debatte im Ausschuss war geprägt vom Wahlkampf. Die CDU warf insbesondere Linken und Grünen Kritik an der Polizei aus rein ideologischen Gründen vor. „Ihr Narrativ ist es, die rechtsstaatlichen Institutionen zu destabilisieren“, sagte Fraktionschef Burkard Dregger. Sein Kollege Kurt Wansner sagte zu Niklas Schrader: „Sie hassen Polizeibeamte, sagen Sie es doch offen.“
Schrader hatte zuvor erklärt, angesichts der vielen aufgedeckten Chatgruppen müsse man Sorge haben, dass es sich um ein „strukturelles Problem“ handle. Er wiederum warf der CDU eine Verharmlosung des Problems vor. „Sie bestärken Menschen, die Hitlerbilder teilen, darin, dass das nicht so schlimm sei. Wir brauchen eine andere Haltung auch bei Konservativen, sonst wird sich das Problem weiter vergrößern.“
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