Jasmin RamadanEinfach gesagt: The show must go on
Was soll jetzt nur aus den Virologen werden?“, fragt eine junge Frau ihren Freund an der Bushaltestelle Schulweg.
„Gibt doch genug Viren, an denen die weiter rummachen können, haben die vorher doch auch gemacht!“
„Nee, Marlon, das mein ich nicht, die haben sich an die Aufmerksamkeit gewöhnt, hatten mega Öffentlichkeit, das ist ja ein Rausch, den gibt man nicht einfach so wieder auf!“
„Du meinst, so wie wir bei Insta?“
„Genau, weißt du noch neulich, als wir uns vorgestellt haben, was wäre, wenn es Instagram plötzlich einfach nicht mehr geben würde!?“
„Ja, voll gruselig, dann wären wir sozusagen einfach weg vom Fleck.“
„Und so muss es den Virologen und Ärzten und was weiß ich wem gehen, alle, die mit Corona eine krasse Bühne hatten!“
„Du meinst, Corona und Instagram sind sozusagen eine Soße?“
„Vom Ding her schon irgendwie. Das, was dich präsentiert, ist dein Instagram.“
„Also ist Instagram auch irgendwie ’ne Krankheit?“
„Ja, eine, von der viele nicht wollen, dass sie jemals endet.“
„Das ist ganz schön krank, Ella!“
„Ja, und deshalb reden die Covid-All-Stars immer von der nächsten Welle, wenn’s Richtung Ebbe geht.“
„Aber nach Ebbe kommt doch eh immer Flut, oder?“
„Ja, in der Natur!“
„Das Virus ist auch Natur.“
„Insta aber nicht.“
„Unser Philolehrer hat doch mal gesagt, alles, was der Mensch gemacht hat, ist auch Natur, weil der Mensch ja Natur ist, auch, wenn der das oft nicht wahrhaben will.“
„Alter, weiß ich nicht mehr, Herr Budde hat so viel gesagt.“
„Das war ’n witziger Typ, voll die Rampensau, glaub, für den war die Schule sein Instagram, der hatte nie Bock, dass der Vorhang sich schließt!“
„So wie die Virologen.“
„Aber die forschen weiter hinter den Kulissen.“
„Ja, Drosten vielleicht, der war eh genervt von dem Hype, aber andere bleiben vor den Kulissen hängen und werden dann voll unglaubwürdig in dem, was sie eigentlich groß gemacht hat.“
„Weißt du, Marlon, ich würd’auch lieber hinter die Kulissen!“
„Mach doch, meld dich ab!“
„Aber mir folgen so viele Leute, ich hab Werbeverträge und vielleicht fühl ich mich dann supereinsam, komm auf komische Gedanken und werd’so ’ne Verschwörerin.“
„Quatsch, du bist clever, studier doch noch!“
„Was denn?“
„Philosophie?“
„Nee, ich will Geld verdienen, zumindest so viel wie jetzt!“
„Dann werd’Virologin.“
„Meist allein im Labor ist vielleicht auch nicht so mein Ding.“
„Aber du hast Präsenz, bist hübsch, sie brüllen doch die ganze Zeit: Das war nicht die letzte Pandemie!“
„Hm, hab ich bei der nächsten großen Sache meinen Doktortitel und werd’die Pandemie-Bühne rocken, waren auch echt zu wenig Frauen, das können die nicht nochmal so durchziehen, damit ist es bald endgültig vorbei.“
„Aber mit den Viren nie!“
Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta Verlag erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.
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