berliner szenen: Einrahmen und übers Bett hängen
Es ist heiß und stickig in dem kleinen Raum zur Leergutabgabe. Einer der zwei Pfandautomaten ist defekt und an dem anderen Gerät steht eine schnaufende Frau, deren Flaschen immer wieder mit einem dröhnenden Ton herauskommen. Sie probiert es trotzdem jeweils noch zweimal. Zuerst mit dem Boden voran und dann mit dem Flaschenhals zuvorderst. Es nützt aber nichts. Diese Flaschen will der Automat nicht. „Ach“, macht sie enttäuscht.
Hinter mir wartet ein Pfandsammler mit einem ganzen Einkaufswagen voll Leergut, der mich netterweise vorgelassen hatte. „Das hätte ich Ihnen gleich sagen können, dass der die nicht nimmt. Da müssen Sie zum Rewe oder Edeka. Die nehmen fast alles.“
Die Frau seufzt. Auf ihrer Stirn haben sich Schweißperlen gebildet und ihr violettes T-Shirt hat Flecke. „Das schaff ich nicht mehr“, sagt sie. „Mir ist ganz schummerig bei dem Wetter.“
Der Mann guckt sie stirnrunzelnd an: „Wie viele sind es denn?“ „10 Stück“, sagt die Frau und zeigt auf ihren Trolley mit der offenen Klappe.
„Na, kommen Sie, ich nehm sie Ihnen ab“, sagt er. „Ach“, macht die Frau erfreut. Dann nachdenklich: „Aber ich brauche das Geld. Das sind ja 2,50 Euro.“
„Na klar“, nickt er, während er zwei Euro fünfzig hervorkramt und sie ihr auf der offenen Hand hinhält.
„Bin doch Profi.“ Die Frau lächelt dankbar und reicht ihm die Flaschen. „Das ist sehr nett von Ihnen.“
Als ich meine vier Flaschen in den Automaten geworfen habe, halte ich ihm meinen Bon hin: „Möchten Sie? Ich hatte den Pfand vergessen und will nicht nochmal in den Laden rein.“
Er nimmt den Bon, sagt: „Och Mensch. Dankeschön.“ Und dann noch: „Heute ist so ein Tag, den man sich einrahmen und übers Bett hängen könnte. Und immer wenn man hinguckt, denkt: War das nett.“ Isobel Markus
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