berliner szenen: Fahr zur Hölle, denke ich
Als es am Abend aufhört zu regnen und die Sonne noch einmal rauskommt, leuchten einzelne schräge Strahlen wie flirrender Goldstaub durch die Bäume und Büsche, auf das dampfende Moos und morsche Äste. Erstaunlich, wie einen in echt etwas umhaut, was als Fotomotiv nur kitschig ist. Circa 50 Kilometer nördlich von Berlin beginnt die Schorfheide und bietet diese Schönheit. Sie bietet aber auch, dass einer der pädophilen Gewalttäter, die vor Kurzem zu langen Haftstrafen mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt wurden, ein Schorfheider ist. Womöglich stand man schon gemeinsam an der Kasse im Supermarkt oder an der Pommesbude am See an. Mit einem Menschen, der Kindern unvorstellbares Leid angetan hat.
Aber ist nicht wenigstens frühmorgens noch alles gut? Im taufrischen Wald mit den Spechten und dem viel zu zahlreichen Wild? In relativ weiter Entfernung steht ein Auto. Wahrscheinlich wieder einer dieser selbst ernannten Waldhüter mit großem, freilaufendem Hund. Ich werde sofort ganz langsam. Der Mann sieht mich, ich sehe ihn, und da ist auch der Hund, er wittert mich schon. Missgelaunt packt ihn sein Besitzer ins Auto und fährt los, auf mich zu. Als wir auf einer Höhe sind, hält er an und lässt die Scheibe runter. Ob ich nicht wüsste, wie leichtsinnig es sei, alleine in den Wald zu gehen, ob ich noch nie was vom Wolf gehört hätte, herrscht er mich an. – „Vor Ihrem Hund hab ich mehr Angst.“
Ein verächtlicher Blick, dann surrt die Scheibe wieder hoch, und der Naturfreund rumpelt grußlos mit seiner Dreckskarre davon. Fahr zur Hölle, denke ich, und wie es eigentlich wäre, wenn ich rein äußerlich nicht den Ureinwohnern ähneln würde. Es wäre eine Schule der Angst, und in den Wald täte ich keinen Schritt ohne Begleitschutz. Bitter.
Katrin Schings
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