DIGITAL SHOPPEN: Kein Zwischenlager
„Es gab Zeiten“, erinnert meine Lieblingsfriseurin, „da stapelten sich so viele Sendungen im Friseursalon, da wurde es schon mal eng für uns und die Kunden.“ Pakete und Päckchen für wildfremde Menschen anzunehmen und zu verwalten mag sie nicht mehr. Deshalb ist ihr neuer Arbeitsplatz auch zwischenlagerfrei von Frachten aus dem Onlinegeschäft.
Mit welcher Selbstverständlichkeit Nachbarn auf den Service der Selbstständigen in den Läden bauen würden, ja, diesen Service beinahe als Pflicht auffassten sei interessant, findet sie. Wie jene fanatischen Onlinebestellfreaks, die wochenlang verreisen und nach ihrer Rückkehr mit ihrem Abholzettel im Laden auftauchen. Und ganz irritiert sind, wenn der Ladenbetreiber die Fracht, die wochenlang Platz blockiert hatte, inzwischen an den Zusteller zurückgegeben hat. Manche Onlinebestellfreaks klagten dann ausführlich, nun müssten sie extra den weiten Weg zur Post laufen, und dort sei es immer voll, das würde einen jetzt viel Zeit kosten, das sei echt nicht nett vom Ladenbetreiber. Bizarr für Selbstständige ist auch, wenn die Onlinebestellfreaks jene Produkte ordern und dann beim freundlichen Nachbarn im Laden auffangen lassen, die jener selbst im Angebot hat.
Wer diese Zustände in die Zukunft weiterdenkt, kann sich mühelos vorstellen, dass ein Kiez irgendwann aus einer Monokultur an Gastronomie und Auffangstationen für online gehandelte Waren bestehen wird.
„Der Markt boomt“, freute sich ein Zusteller, den ich jüngst sprach. Stets mehr Konsumenten würden online shoppen, wusste er zu berichten. „Lebensmittel, Windelpakete, Katzenfutter, Kleider, Schuhe, was auch immer schleppen wir dann hoch in die Wohnung. Der Kunde muss ja nur dafür sorgen, dass jemand die Tür aufmacht oder einem Nachbarn Bescheid geben, das zu tun. Das ist super praktisch.“
GUNDA SCHWANTJE
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