Polizeiruf 110 wird 50: Gealtert, aber jung geblieben
Zum 50. Geburtstag der Krimireihe „Polizeiruf“ hat die ARD die besten Filme ausgewählt. Darin trifft männliche Wut auf polizeiliche Vorverurteilungen.
Zum 50. Geburtstag der „Polizeiruf“-Reihe hat die ARD einige ausgewählte Filme in ihrer Online-Mediathek zur Verfügung gestellt; so auch diesen 2002 entstandenen Krimi aus Brandenburg, der Kriminalhauptkommissarin Wanda Rosenbaum (Jutta Hoffmann) auf ihrem letzten Fall durch die sichtlich heruntergekommene Stadt begleitet. Nicht minder heruntergekommen ist Paul Kieslowski (wohltuend, Axel Prahl mal nicht in seiner Münsteraner Rolle zu sehen).
Seine Ehe ist zerbrochen, er muss von Ex-Frau Maria (Claudia Geisler) und den beiden minderjährigen Kindern Enrico und Theresa Abstand halten, was ihm in dieser Nacht jedoch nicht gelingt. Besoffen grölt er im Hof des Wohnhauses seiner Familie herum, will seinen Sohn sehen. Die Situation eskaliert, und am Ende liegt Maria mit einem großen Brotmesser im Bauch auf dem Boden ihrer Küche.
Kieslowski wird wenig später mit 3 Promille im Blut in der Nähe des Tagebaus aufgegriffen und in Untersuchungshaft verfrachtet. Für Kommissarin Rosenbaum ist schnell klar: Kieslowski ist ein Säufer und Gewalttäter. Sie lenkt ihn zu einem Geständnis, auch wenn er sich auf alkoholbedingte Gedächtnislücken beruft und sich nicht an die Tat erinnern kann. Vor Gericht wird er von Ex-Frau Maria und Tochter Theresa schwer belastet, Sohn Enrico jedoch verweigert nicht nur die Aussage, sondern jedes Gespräch; da nutzt es wenig, dass der gemütliche Polizeihauptmeister Horst Krause ihn mit Zaubertricks aufheitern will.
Rosenbaum kommen im Zuge der Verhandlung Zweifel an ihrem schnellen Ermittlungserfolg. Was, wenn sie Paul Kieslowski falsch eingeschätzt hat? Sie nutzt ihre Position, um den Mann nach der Verhandlung selbst zurück zur U-Haft zu fahren. Auf dem Weg hält sie an einer Turnhalle, in der Enrico zum Handballtraining sein soll; Rosenbaum möchte Kieslowski ein Gespräch mit seinem Kind ermöglichen.
Brandenburg-„Polizeiruf 110: Wandas letzter Gang“ ist in der ARD-Mediathek zu sehen
Diese gut gemeinte Eigenmächtigkeit wird verheerende Folgen haben. Dass dieser „Polizeiruf“ 19 Jahre alt ist, lässt sich optisch nicht leugnen. Aber sein Inhalt ist sehr aktuell. Männliche Wut trifft auf polizeiliche Vorverurteilungen. Unglückliche Verkettungen machen es den Protagonisten unmöglich, das Gute, das sie wollen, bis zum Ende durchzuziehen. Wer ist Opfer, wer ist Täter?
Ein Sinnbild für die Tragik, die in vielen Familien herrscht: Alle wollen das Beste füreinander, doch bei der Umsetzung scheitern sie grandios.
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