contemporary fine arts
: Die neue Neue Sachlichkeit

Sophie Reinhold, „Money“, 2020, Öl auf Marmormehl auf Jute, 135 x 200 cm Foto: Matthias Kolb; Courtesy Contemporary Fine Arts, Berlin

Das Wort „Money“ steht auf dem gleichnamigen Gemälde von Sophie Reinhold. Eine Handvoll geisterhafter Wesen tanzt darauf dem Mammon einen Reigen und bilden auf der für die Künstlerin typischen Marmoroberfläche die Buchstaben mit ihren Körpern. Das Bild, in das sich allerlei Kritik an der durchökonomisierten (Kunst-)Welt hineininterpretieren ließe, ist Teil einer Gruppenausstellung bei CFA, die den vielsagenden Titel „Neue Sachlichkeit“ trägt. Parallelen werden da nämlich aufgetan zwischen jener vor 100 Jahren entstandenen Kunstrichtung und der Praxis heutiger mehr oder weniger figurativ arbeitender Malerinnen.

Viel war ja bereits 2019 die Rede von den beginnenden neuen Zwanziger Jahren und von möglichen gesellschaftlichen Parallelen zur Weimarer Republik gewesen, nicht nur deswegen erscheint der Vergleich durchaus überzeugend. Im ihrem lesenswerten Essay im Katalog zur Schau stellt Dana Žaja der Flâneuse der 1920er die Scrolleuse der 2020er Jahre entgegen, die nicht nur die urbane Welt erobert, sondern sich ebenso selbstbestimmt durch die digitale bewegt. In der neuen Neuen Sachlichkeit mischt sich folglich Virtualität unter die Faktizität. Den wachen Blick auf die Realität unterwandern die endlosen Weiten der Bilderfluten des WWW.

Umso bemerkenswerter erscheint es, dass die in der Gruppenschau vertreten Künstlerinnen ebendieser mit den Mitteln der guten alten Malerei begegnen – und dabei zahllose kunsthistorische, bildgeschichtliche wie popkulturelle Verweise mit in den Hut werfen. So wie Francesca Facciola, die auf „One Trick Pony“ Bildebenen wie Sehnsüchte übereinanderschichtet. Eine Frau im knallroten Latexfetisch-Pferdekostüm streckt dem Publikum das beschweifte Hinterteil entgegen, hinter ihr trabt eine Schar Wildpferde durch eine golden glimmernde Landschaft, die so aussieht, als habe Bob Ross einen Bildschirmhintergrund gestaltet.

Die von Ellen Berkenblit auf cartoonartige Weise auf die Leinwand gebrachte Frau scheint indes irgendetwas massiv zu missfallen. Intensiv starrt sie rechts aus dem Bildrand, ihr Mund ist wütend nach oben geschoben. Ist es der vermeintliche Pickel, den sie sich mit den Fingern auszudrücken versucht oder hat sie sich über etwas geärgert, was sie auf Twitter gelesen hat? Rosiger, besser gesagt: babyblauer sind die Aussichten, die Emily May Smith per Reißverschluss eröffnet: Die Malerei bleibt verheißungsvoll, wenn sie sich neuen Perspektiven öffnet – „The Studio“ steht auf dem Zipper.

Beate Scheder