die woche in berlin
: die woche in berlin

Wenn es mal nicht um Corona geht in Berlin, dann geht es um Wohnungsfragen und Miete, die Bilanz nach drei Jahren Mobilitätsgesetz fällt für viele ernüchternd mau aus, und um Corona und was alle dagegen tun können, geht es in dieser Woche natürlich schon auch

Halt wohnen, wohnen, wohnen

Häuser werden gekauft, die Frage nach Enteignung kommt

Die Mieten sind zu hoch und die Wohnungen zu knapp – darüber herrscht parteiübergreifend Einigkeit. Für mehr Diskussionen sorgt bekanntlich die Frage, wie die Mieten langfristig wieder gesenkt werden können. Dass die wundersamen Kräfte des Marktes für steigende Mieten, nicht aber für mehr Wohnraum sorgen, mussten viele Berliner Mie­te­r:in­nen in den letzten Jahren schmerzlich erfahren. Es braucht also mehr staatliche Einflussmöglichkeiten, zumindest das scheint Konsens in der Koalition.

Ein Lösungsansatz, der sich in der in letzter Zeit wachsender Beliebtheit erfreut, ist wieder mehr Wohnungen in den Landesbesitz zu überführen. Mit der Parole „Wir kaufen uns die Stadt zurück“ rettete Friedrichshain-Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt Hunderte Mie­te­r:in­nen vor Verdrängung, indem per Vorkaufsrecht zahlreiche Häuser Spe­ku­lan­t:in­nen vor der Nase weggekauft wurden. Nun wurde diese Woche das erste Mal das Vorkaufsrecht zugunsten eines anderen privaten Investors angewandt. Der Grund: Der Senat stellt nicht mehr genug Geld für den kostspieligen Ankauf zu Marktpreisen bereit.

Umso verwunderlicher ist es, dass die SPD über 2 Milliarden Euro für 20.000 Wohnungen des Wohnungsriesen Vonovia ausgeben will, zumindest wenn der Ende Mai von Oberbürgermeister Michael Müller eingefädelte Deal aufgeht. In einem Beschluss am Donnerstag kritisierte die Linke den Kaufpreis als zu hoch und forderte, das Abgeordnetenhaus möge doch wenigstens über den Kauf entscheiden.

Über die eigentlichen Beweggründe des Müller-Vonovia-Deals lässt sich spekulieren, deutlich wird aber, dass der Senat keine Strategie hat, wie er die Wohnraumversorgung langfristig politisch gestalten will: Ein bisschen Vorkauf hier, ein bisschen Mietendeckel da, und am besten Neubau, egal ob privat, kommunal oder genossenschaftlich. Man muss kein Hellseher sein, um zu ahnen, dass dieses Herumgeeiere in den nächsten 10 bis 20 Jahren wenig Früchte tragen wird. Im Gegenteil, wer garantiert, dass die heute teuer angekauften Wohnungen nicht wieder verscherbelt werden, sobald Berlin wieder mal pleite ist?

Weitsichtiger als die Landespolitik ist hingegen das Volksbegehren Deutsche Wohnen & Co enteignen, dem am Donnerstag offiziell bestätigt wurde, dass die benötige Zahl an Unterschriften erreicht wurde. Denn neben der Forderung nach Vergesellschaftung wird hier genau diese langfristige Strategie geliefert. Es ist ein radikaler, aber gangbarer Weg, große Teile des Wohnungsbestandes in die öffentliche Hand zu überführen, ohne sich als Stadt bis zur Handlungsunfähigkeit zu verschulden. Garantieren soll das kein landeseigenes Unternehmen, sondern eine Anstalt des öffentlichen Rechts, die im Gegensatz zu den Landeseigenen nicht profitorientiert arbeiten muss.

Ob Enteignung nun wirklich der Königsweg ist, das „Recht auf Wohnen“ in Berlin langfristig zu gewährleisten, darüber ließe sich vortrefflich diskutieren. Wird es aber leider viel zu wenig. Schade eigentlich, denn der Volksentscheid wäre schon ein Erfolg, wenn die Geg­ne­r:in­nen anstatt Ängste zu schüren, konstruktive Gegenkonzepte entwickeln würden.

Jonas Wahmkow

Das lange Warten auf die Verkehrswende

Drei Jahre Mobilitätsgesetz machen nicht glücklich

Gut Ding will Weile haben – für Berlins Mobilitäts- und vor allem FahrradaktivistInnen könnte es keinen schrecklicheren Sinnspruch geben. Umgekehrt agiert die Senatsverkehrsverwaltung offenbar nach genau diesem Motto. Dass das nicht gut geht, ist seit Langem zu beobachten. Mit der Bilanz zu 3 Jahren Mobilitätsgesetz zu Wahlkampfzeiten, die der Verein Changing Cities am vergangenen Montag zog und die er selbst als „verheerend“ bezeichnete, ist jetzt aber nicht nur das Tischtuch zerschnitten, sondern das Möbelstück gleich ganz durchgesägt.

Um es vorwegzunehmen: Nicht alles, was Changing Cities – ohne Zweifel seit dem Volksentscheid Fahrrad der wichtigste zivilgesellschaftliche Treiber der Berliner Verkehrswende – der Verwaltung vorwirft, ist absolut fair. Etwa die Aussage „19 Radfahrende und 19 Fuß­gän­ge­r*in­nen wurden 2020 getötet – kein einziger dieser Menschen hätte sterben müssen, wenn die von Verkehrssenatorin Günther geführte Verwaltung ihrer Verantwortung nachgekommen wäre.“

Der Vorwurf ist in dieser Form nicht nur deshalb falsch, weil unter den Verunfallten auch einige sind, für deren Tod nicht das Fehlverhalten anderer Verkehrsteilnehmer verantwortlich war. Denn selbst wenn die Verkehrsverwaltung der Forderung nachkäme, nach jedem schweren Unfall die entsprechende Straßensituation sicher umzubauen – dieser Unfall muss sich ja, allein von der Logik her, erst einmal ereignen.

Das delegitimiert aber nicht die grundsätzliche Kritik an Tempo und Nachdruck des vom Mobilitätsgesetz vorgegebenen Stadtumbaus. Der immer wiederkehrende Verweis der Senatsverwaltung, dass eben erst einmal Fachleute eingestellt, Planwerke geschrieben, jede Menge Vorarbeit geleistet werden müsse, ist grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen, verfängt aber am Ende der Legislaturperiode und ohne nennenswerte sichtbare Ergebnisse nicht mehr.

So oder so, die Enttäuschung bei den AktivistInnen ist enorm, und dass sie keine Wahlempfehlung abgeben wollen, dürfte in erster Linie daran liegen, dass mehr Engagement in der Sache von einer anderen regierungsfähigen Partei als den Grünen eben auch nicht zu erwarten ist. Deshalb hat man sich nun auf Regine Günther eingeschossen, von der es in der Bilanz indirekt hieß, sie habe „den Geist des Mobilitätsgesetzes und die Größe der Aufgabe nicht verstanden“.

Dass Changing Cities lieber jemanden wie Monika Herrmann, die scheidende Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, auf Günthers Sessel sähe, ist mehr als offensichtlich. Herrmanns Bezirk war das einzige halbwegs leuchtende Vorbild in der Bilanz des Vereins: Dort werde die Verkehrswende mit „intrinsischer Motivation“ vorangetrieben. Aber solche Personalien werden auch in Berlin immer noch von den Parteien entschieden. Claudius Prößer

Ein Stich Solidarität könnte helfen

Die Impfkampagne angesichts der angreifenden Deltavariante

Viele seiner potenziellen Impf-KandidatInnen warteten derzeit erst mal noch ab und überlegten, ob sie sich am Ende wirklich impfen lassen wollen, hatte der Vorsitzende des Berliner Hausärzteverbands diese Woche der taz gesagt. Es falle einigen offenbar schwer, die Gefahr von erneut steigenden Infektionszahlen zu sehen, jetzt, wo die 7-Tage-Inzidenz nur noch bei knapp über 5 liegt in Berlin. Immerhin: 54,4 Prozent der BerlinerInnen sind bereits mindestens einmal geimpft.

Bleibt die Frage: Auf was genau warten die Leute bloß? Wenn die Infektionszahlen erst wieder steigen, ist es nämlich zu spät. Und dass sie wieder steigen werden, ist leider gar nicht so unwahrscheinlich, angesichts der auch in den europäischen Nachbarländern längst grassierenden Deltavariante und auch angesichts des anstehenden Rückreiseverkehrs nach den Ferien. Im Gegenteil, es könnte nur eine Frage der Zeit sein, bis die Delta­variante auch in Berlin eine Rolle spielt.

Dann, man kennt das Spiel inzwischen schon, gehen die sogenannten Abwägungsprozesse wieder von vorn los. Die Kernfrage: Wie viel des öffentlichen Lebens muss man dichtmachen, damit die Krankenhäuser nicht überlastet werden?

Hält sich das Infektionsgeschehen in Grenzen, wird man womöglich im Herbst wieder ein paar Wochen lang sein Bier zu Hause trinken, vielleicht passiert auch gar nichts. Läuft es nicht so gut, sitzt man mit dem Kind wieder beim Homeschooling am Küchentisch, weil die Schulen erneut in den Wechselbetrieb gehen.

Dann werden sehr viele Menschen wieder über die Einschränkungen schimpfen und ihre Grundrechte in Frage gestellt sehen. Aber zur Wahrheit gehört dann auch, dass wir es jetzt, im Sommer, zu einem guten Stück selbst in der Hand haben, wie schlimm eine mögliche vierte Welle im Herbst wird.

Wer den Sinn des Impfens noch nicht so richtig sieht: Es geht dabei auch um Solidarität mit allen anderen Menschen um einen herum. Wem das zu abstrakt ist, der denke an seinen Lieblingskneipenwirt oder das eigene Kind, das es nicht verdient hat, seine Jugend zu Hause zu verbringen statt im Club. Wem andere Menschen egal sind, der tut’s eben einfach bloß für sich, auch okay.

Gerade die Jugendlichen, für die es noch keine Impfempfehlung mit einem der verfügbaren Corona-Impfstoffe gibt, haben übrigens die Solidarität der Erwachsenen mit Impfempfehlung verdient. Immerhin waren die Jugendlichen es, die in den letzten eineinhalb Jahren Pandemie weitgehend von zu Hause gelernt haben, während die Büros nie geschlossen waren.

Das wäre zumindest fairer als das, was die Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) am Dienstag forderte. Pop sagte, es brauche jetzt dringend auch eine Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche seitens der Ständigen Impfkommission – weil man nach den Sommerferien nicht wieder die Schulen schließen dürfe, nur damit „Erwachsene entspannt Pizza essen gehen können“. Sollte die Stiko aufgrund einer besseren Studienlage zu der Meinung kommen, dass eine Impfung für Kinder und Jugendliche sinnvoll ist, dann ist es sicher gut, wenn diese Empfehlung besser heute als morgen kommt.

Aber was bei Pop mitschwang, war ja eigentlich diese Botschaft: Impft die Kinder, damit meinetwegen die Schulen offen bleiben können, aber vor allem bitte nicht noch mal ein Lockdown für die Wirtschaft kommen muss. Zumal im Herbst ja auch Wahlen sind in Berlin.

Anna Klöpper

Wer den Sinn des Impfens noch nicht so richtig sieht: Es geht dabei auch um Solidarität mit allen anderen Menschen um einen herum

Anna Klöpper über die aktuelle Situation beim Impfen in Berlin