berliner szenen: The hottest man in Neukölln
Es regnet. Wie herrlich ist das denn. Erst gegen Abend hört’s auf. Die Luft ist weich und warm, die Linden duften, höchste Zeit für ein paar Erledigungen. Auch die Nachbarin wagt sich nun raus. Aber weil sie sich witterungsbedingt für den näher gelegenen Penny und gegen den Hermannplatz entscheidet, trennen wir uns an der nächsten Ecke schon wieder.
Mein erster Weg führt zur Kirche, ein leeres Gurkenglas für „Essen ist fertig“ am Bahnhof Zoo vorbeibringen und eine Kerze für den nahenden Todestag der Mutter anzünden. Die Kirche ist täglich von 8 bis 20 Uhr geöffnet, und das im verruchten Neukölln, es geht ein Frieden und eine Stille von ihr aus, man muss sich nur trauen.
Der Antiquar ein paar Straßen weiter ist matt von all den Büchern sein Leben lang. Lieber, als schwere Kisten zu schleppen und zu wenig zu verkaufen, würde er frei umherschweifen und Bäume und Gras schnuppern. „Und die Wohnung schaut aus. Wie bei einem Messie!“
Das Hauptziel ist Karstadt wegen eines neuen Wasserkochers. Da ich den alten geliefert habe und er für eine Gemeinschaftsküche ist, will ich einmal nicht knickern und entscheide mich mutig für ein formschönes Modell aus gebürstetem Metall von WMF für 54 Euro. An der Kasse sind’s aber plötzlich nur noch 35 Euro. Ich lass mir nichts anmerken und glaube an ein kleines Wunder, doch auf dem Kassenzettel steht schnöde was von Aktionspreis.
ABER: Im Vorübergehen lächelt mir the hottest man der Sonnenallee zu! Der, der immer an der Waage des syrischen Supermarkts neben der Theodor-Storm-Problemgrundschule steht. Ich lächle hingerissen zurück und fühle ich mich bis zur nächsten Ampel wie die 14-jährige Lila aus dem Neapel-Seller von Elena Ferrante, der vorhergesagt wird, sie sei bald schöner als die Venus von Botticelli.
Katrin Schings
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