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Solidarität frisch gebrüht und heiß serviert

Zum ersten Mal haben sich Hamburgs Kaffeekollektive zusammengerauft und für die „Viaje Zapatista“ den gleichnamigen Soli-Kaffee geröstet. Alle Erlöse aus den aromatischen Bohnen fließen in die Finanzierung der zapatistischen Reise. Deren Vorhut ist bereits im spanischen Vigo eingetroffen – die eigentliche Tour soll Ende Juli beginnen

Angehörige des Ejercíto Zapatista de Liberación Nacional (EZLN) brechen am 2. Mai zusammen mit Hamburger Soli-Röstern von der Isla Mujeres Richtung Vigo auf: Im Gepäck haben sie vor allem schwarze Bohnen Foto: Lourdes Cruz/imago

Von Knut Henkel

Am vergangenen Wochenende traf das Segelschiff La Montaña nach rund sechswöchiger Reise über den Atlantik im Hafen von Vigo ein. An Bord befand sich die siebenköpfige Vorhut der zapatistischen Reise und vor Ort war mit Leticia von „Café Libertad“ auch die Vorhut der Hamburger Kaffeekollektive, freut sich Bastian von „La Gota Negra“. La Gota Negra ist eines von vier Hamburger Kaffeekollektiven, die sich zusammengetan haben, um die Reise zu unterstützten und zur Finanzierung beizutragen.

„Viaje Zapatista“ steht folgerichtig auf dem Etikett des Soli-Espressos und ein Segelschiff mit schwarzer Fahne und roten Stern prangt darunter, auf dem sich mehrere maskierte Menschen tummeln. Zapatisten, die sich erstmals in der Geschichte der 1994 bekannt gewordenen Befreiungsbewegung aus dem Süden Mexikos ganz offiziell auf Reisen begeben. Europa bildet die erste Etappe der zapatistischen Weltreise, auf der sich getroffen und kennengelernt werden soll.

Das „Europa von unten links“ haben die Zapatisten im Visier, so heißt es in dem Kommuniqué vom 5. Oktober 2020, in dem das ehrgeizige Reise-Projekt vorgestellt wurde. Zu einem Zeitpunkt, zu dem die kritische Linke und das Soli-Netzwerk in Europa eher mit sich selbst beschäftigt war als sich mit einer „Reise für das Leben“ aus dem Süden Mexikos zu beschäftigen. So bezeichnen die Zapatisten ihre Tour durch Europa, die derzeit in Vigo von der Vorhut und Hunderten von europäischen Soli-Gruppen vorbereitet wird.

„Nach den langen Monaten des Corona-Stillstands geht es nun endlich wieder in eine andere Richtung“, hofft Andreas „Pingo“ Felsen von Quijote-Kaffee und das will er unterstützen. Gemeinsam mit Bastian vom befreundeten Gota-Negra-Kollektiv ist er auf die Idee gekommen den Soli-Espresso aufzulegen. Nicht nur, um etwas zur zapatistischen Reisekasse beizusteuern, sondern auch, um die Kollektive, die früher und heute Kaffeebohnen aus zapatistischer Produktion importieren, näher zusammenzubringen.

Zum ersten Mal gemeinsam einen Kaffee kreieren, dessen Erlös nach Abzug von Importkosten und Steuern komplett in die zapatistische Reisekasse fließt, sei ein Zeichen der Gemeinsamkeit, so Felsen. Gräben zu schütten, Differenzen überbrücken und vom anderen lernen – das passt haargenau zur Reise der Zapatisten. Die haben ein historisches Datum zur Visite in Madrid ausgewählt – den 500. Jahrestag der Eroberung der spanischen Conquistadores in Mexiko.

„Nach langen Monaten des Stillstands geht es nun in eine andere Richtung“

Andreas Felsen, Quijote-Kaffee

Anders als die Spanier vor 500 Jahren kommen die rund 160 Delegierten aus dem Süden Mexikos, davon rund zwei Drittel Frauen und andere Geschlechter, nicht um zu erobern, sondern um zu lernen, sich zu vernetzten und neue Organisationsformen zu kreieren. Neben den Zapatistas gehören Angehörige des Mexikanischen Indigenen-Kongresses (CNI) und eines weiteren Zusammenschlusses von Indigenen aus mehreren Bundesstaaten zur rund 160 Köpfe zählenden Delegation.

Von denen sollen bis zu fünfzig Menschen nach Deutschland reisen. „Wahrscheinlich in drei Gruppen in drei verschiedene Regionen und anschließend treffen sich alle in einem Widerstands-Camp im Wendland wieder“, gibt Bastian den derzeitigen Stand der Planungen wieder. Die werden sich in den nächsten Wochen dank der Arbeit der zapatistischen Vorhut konkretisieren und für Hamburgs vier Kaffeekollektive ist klar, dass neben dem Rösten des Soli-Espressos auch die konkrete Kooperation, der Austausch und die Anbauberatung in den Anbauregionen der Zapatisten eine Option für die Zukunft sein könnte. „Die regionale Vernetzung mit Kooperativen, die weiter sind als die der Zapatisten, zum Beispiel in Honduras, wäre genauso praktikabel wie der Besuch hier in der Rösterei“, so Felsen. Die Quijote-Rösterei ist in Hamburgs kollektiver Kaffeeszene längst zum Anlaufpunkt geworden und das könnte zumindest für einige Mitglieder der zapatistischen Delegation interessant sein.

Insgesamt will die Delegation aus dem Süden Mexikos bis zu dreißig Länder in Europa besuchen. Vieles hängt von den Kapazitäten der Soli-Netzwerke ab, klar ist aber auch, dass die Delegation aus Mexiko ihre „Reise für das Leben“ auch als Beitrag für einen potenziellen Wendepunkt in der Geschichte Europas begreift. Das Ende patriarchaler Gewalt, kapitalistischer Naturzerstörung und von Sexismus, Rassismus und anderen Diskriminierungsformen wird in den zapatistischen Gemeinden nicht nur gefordert, sondern auch gelebt. Zumindest dort, wo die Zapatisten den Ton angeben – das kennen die vier Hamburger Kollektive teilweise auch aus eigener Anschauung. Genau deshalb haben sie für ihren „Viaje Zapatista“ auch ausschließlich Rohkaffee von indigenen Kooperativen aus Mexiko, Kolumbien und Indien ausgewählt. Ein Soli-Kaffee mit dem besonderen Anspruch.