heute in bremen
: „Im Moor vergammelt einiges“

Foto: Daniel J. Thierbach

Stephan Thierbach 34, ist Meisterschüler an der HfK-Bremen. Seine Arbeit „Der Schweiß der Erde“ ist in der Ausstellung

„Olfaktor“ in der Städtischen Galerie Bremen zu sehen.

Interview Alina Götz

taz: Herr Thierbach, wie riecht Moor?

Stephan Thierbach: Etwas süßlich und erdig. Wie wenn man im Wald ist und es gerade geregnet hat. Als ich die Proben im Ruschdahlmoor in Burglesum genommen habe, war auch ein fauliger Geruch dabei. Denn im Moor vergammelt einiges unter Luftabschluss. Die erwärmte Probe unterscheidet sich ein bisschen vom Moor selbst.

Was verbinden Sie persönlich mit Mooren?

Torfabbau. Ich bin aufgewachsen am Stadtrand von Berlin-Pankow mit zwei kleinen Torfteichen in der Nähe. Dort wurde früher Torf gestochen, dann sind Seen entstanden. Damals hatte ich aber noch keinen Bezug zur Geschichte der Moore. Erst über meine Arbeit hier in Bremen habe ich mich viel mit der Kultivierung der Moore beschäftigt. Eine Geschichte mit sehr viel Wissen und Kraft, menschlich und tierisch, die zum Teil freiwillig, zum Teil aus Armut oder unfreiwillig von Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen kam.

Ist Ihre Kunst eine Art Protest?

Sie ist nicht vorrangig ein Appell. Aber durch sie kommt man nicht umhin, sich mit dem Thema zu befassen. Aktuell erfahren Moore zum Glück wieder viel Aufmerksamkeit, da sie gigantische CO2-Speicher sind. Wenn Leute sensibilisiert werden, wäre das ein schöner Effekt meiner Arbeit. Aber zu viel Aufmerksamkeit ist auch kontraproduktiv, es sollen ja schließlich nicht alle dorthin pilgern und regelmäßig im Naturschutzgebiet picknicken.

Wie funktioniert der Destillationsprozess?

Es ist das Gleiche wie Beeren in Wodka einzulegen – mit der Zeit nimmt der Alkohol den Geschmack an. Das Gemisch aus Torferde und Alkohol steht jetzt seit etwa einem Monat. Das ist genug Zeit, damit die Duftstoffe aufgenommen werden können. In einem Erdkocher wird das heute erhitzt. Aus dem Kocher führt ein kleines Rohr, das Destillat fange ich in einem Trichter auf. Später wird es in Fläschchen abgefüllt.

Kunstaktion „Der Schweiß der Erde“, 16 Uhr, Städtische Galerie, Buntentorsteinweg 112, mit Anmeldung unter 0421/361-5826

und kann dann mitgenommen werden?

Für zehn Euro, ja. Die gehen an mich als Künstler. Oder für eine Spende von 100 Euro, die gehen dann an die Ökologie-Station in Bremen Nord, einen Verein, der kulturelle Bildungsarbeit macht. Aber vor Ort können alle an dem Destillat riechen oder es träufeln.

Wie sind Sie darauf gekommen?

Meine Großeltern und Eltern haben in ihrem Garten im Frühjahr immer den Kompost leicht erwärmt und ihn dann auf die Frühbeete gebracht. Mit diesem Erdkocher, der eigentlich ein Kartoffelkocher aus der Schweinemast ist. Dieser süß-bittere, muffige, erdige Geruch ist eine Erinnerung aus meiner Kindheit. Ich dachte, dass ich das doch auch mit anderer Erde machen und so verschiedene Erdgeschichten thematisieren kann. In Berlin habe ich mich mit einem durch Schwermetall vergifteten Boden beschäftigt.