Islamfeindliche Geschichte

Auf einem Fachtag über antimuslimischen Rassismus wird klar, dass dieser kein aktuelles Phänomen ist, sondern zur Geschichte Deutschlands dazugehört

Diese deutsche Konvertitin mit Kopftuch wurde Opfer eines tätlichen Übergriffs in Hamburg Foto: Georg Wendt/dpa

Von Mahé Crüsemann

Verschwörungstheorien, Islamfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus in Deutschland sind älter als man denkt und eng mit der Geschichte des Landes verbunden. Das erzählte Ozan Zakariya Keskinkilic am Mittwoch auf einem Fachtag zu antimuslimischem Rassismus in Bremen, organisiert vom Demokratiezentrum Bremen.

Das wird finanziert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Seit 2015 fördert das Bundesministerium zivilgesellschaftliches Engagement: Projekte, die sich gegen Radikalisierungen und Polarisierungen in der Gesellschaft einsetzen. Kernziele sind Demokratieförderung, die Gestaltung von Vielfalt sowie das Vorbeugen von Extremismus.

Der Politikwissenschaftler Ozan Zakariya Keskinkilic nimmt das Publikum mit seinem Vortrag ein ganzes Stück zurück in die deutsche Vergangenheit – bis zu den Kolonialkongressen 1905 im Berliner Reichstag.

Keskinkilics forscht seit Jahren unter anderem zu antimuslimischem Rassismus und Antisemitismus. Er erzählt, Kolonialvereine hätten damals während des Kolonialkongresses in Berlin mit Interessenvertretern aus Wirtschaft und Handel unter anderem über die „Gefahr der Islamisierung“ gesprochen. Bereits zu Zeiten des deutschen Kolonialismus begann man in Deutschland den Begriff „Islam“ negativ zu konnotieren.

2020 wurden in Deutschland laut Bundesinnenministerium 1.026 islamfeindliche Straftaten erfasst. 2018 waren es 824 gemeldete Taten.

Im Land Bremen erfasste man nach Angaben des Innensenators in dem Jahr fünf Straftaten, die als islamfeindlich gelten. Vergangenes Jahr waren es hier schon 16.

In Bremen wie auch bundesweit lässt sich damit ein Anstieg der Übergriffe auf muslimisch gelesene Menschen feststellen. Die Daten zu islamfeindlichen Straftaten werden erst seit 2017 von Behörden in Deutschland ausgewertet.

Nastaran Tajeri-Foumani, politische Bild­ne­r*in und Trainer*in, ist die zweite Red­ne­r*in beim Fachtag. Sie* spricht in ihrem Vortrag zu Perspektiven auf muslimische Frauenbilder vom sogenannten „Othering“. Es gehe dabei darum, jemanden als „den anderen“ zu konstruieren. „Eine dominante Gruppe wertet die eigene Gruppe dadurch auf, dass andere abgewertet werden“, erklärt sie. Das sei genau das, was Menschen, die muslimisch gelesen werden, immer wieder angetan würde.

Das ist für Tajeri-Foumani ein wichtiger Aspekt, den sie* immer wieder betont: Es gehe bei der mus­li­m*a­feind­li­chen Diskriminierung vorrangig um eine Zuschreibung von außen. Den Diskriminierten würden Eigenschaften zugeschrieben, die einem rassistischen Bild von Muslimen entsprächen. Sie macht es am Beispiel des Feminismus deutlich: „Der ‚weiße‘ Feminismus wird häufig als ‚der richtige‘ stilisiert“, sagt sie. Die Vielfältigkeit und Komplexität innerhalb des Feminismus werde außer Acht gelassen. „Es gibt aber nicht den einen Feminismus.“ Auch innerhalb des islamischen Feminismus gebe es unterschiedliche Strömungen.

Der Fachtag fand als Hybrid-Veranstaltung statt. Etwa 40 Gäste waren live vor Ort, im Martinsclub in Bremen, etwa 200 Teilnehmende schauten sich einen Livestream an.