Jörn Kabisch
Angezapft
: Gebraut mit Mathe und Messbecher

Foto: privat

Ein Thermometer ist beim Bierbrauen zwingend notwendig, möchte man meinen. Warum? Dafür muss ich ein wenig ausholen: Um Alkohol zu produzieren, brauchen die Hefen Zucker. Aber der ist in Gerste oder Weizen nicht von vornherein enthalten, nur Stärke. Also nutzen die Brauer Enzyme. Sie stecken im Getreidekorn selbst und werden aktiviert, wenn man das Korn keimen lässt. Das passiert beim Mälzen.

Wenn dann das Malz mit Wasser vermischt im Kessel erwärmt wird, produzieren die Enzyme verschiedene Zuckerarten. Bei etwa 68 Grad wird in der Maische vergärbarer Zucker erzeugt, bei über 70 Grad Zucker, mit der die Hefe nichts anfangen kann, er macht das Bier dafür am Ende süßer. Hält der Brauer den Sud unterschiedlich lang auf diesen einzelnen Temperaturstufen, kann er damit den Geschmack bestimmen.

Ohne Thermometer geht es also nicht. Aber schaut man in die Geschichte des Bieres, dann fällt auf: Erfunden wurde es erst von Galileo Galilei Anfang des 17. Jahrhunderts, knapp hundert Jahre nach dem bayerischen Reinheitsgebot. Und brauten nicht schon die alten Ägypter Bier? Wie schafften die das ohne Thermometer? Mit der sogenannten Dekoktionsmethode. Sie ist heute kaum noch in Gebrauch und deswegen musste ich zugreifen, als ich auf ein Bier stieß, das auf so altmodische Art hergestellt worden ist. „Der schwedische Lehrling“ ist eine Kooperation von Omnipollo, einer poppigen Brauerei aus Schweden, und Camba Bavaria, der ersten Adresse für Craftbier in Bayern.

Was aber ist nun die Dekoktionsmethode? Sie macht sich zu Hilfe, dass man Flüssigkeiten ansieht, wenn sie 100 Grad heiß sind: sie blubbern. Und mischt man kochende mit zimmerwarmer Flüssigkeit in bestimmten Anteilen, kann man sie auf bestimmte Temperaturen abkühlen. Genau das, was der Brauer will. Es braucht dafür kein Thermometer, nur ein bisschen Mathe und einen Messbecher. Der Schöpfeimer ist daher übrigens auch Teil des alten Zunftzeichens der Brauer.

Der schwedische Lehrling, Camba Bavaria/ Omnipollo, 5,2 % vol.

Man kann die Braumethode im „Lehrling“ schmecken. Beim starken Erhitzen bildet das Malz Karamelle, die eine röstige, rauchige, manchmal sogar bitter-verbrannte Süße mitbringen. Das Bier wird „kerniger“, sagt dazu der Biersommelier, aber eigentlich schmeckt es angebrannt. Der „Lehrling“, von der Grundstruktur her ein bayrisches Helles, goldgelb und leicht trüb, entfaltet so einen Geschmack im Mittelteil. Es wird für ein Helles sehr vollmundig und entwickelt all die würzigen Aromen, die ich mit der Brotkruste eines dunklen bayrischen Bauernlaibs verbinde. Ganz zünftig, der „Lehrling“.