„Freie Stellen als Pro­fes­so­r*in gibt es nicht“

Jules Tohountode über die Schwierigkeiten der Ausbildung in Benin

Jules Tohountode

ist Präsident der nichtstaatlichen Organisation Education Services International (ESI). In Dogbo im Westen Benins hat sie zusammen mit dem deutschen Verein Pro Dogbo ein Ausbildungszentrum für Handwerksberufe errichtet.

taz: Herr Tohountode, ist ein Ausbildungszentrum wie das in Dogbo eine Ausnahme in Benin?

Jules Tohountode: Ganz außergewöhnlich ist es nicht mehr. Besonders ist aber, dass wir gut mit Maschinen und Lehrkräften ausgestattet sind. In unserem Departement sind wir deshalb vom Staat ausgewählt worden, um eine duale Berufsausbildung durchzuführen. Lehrlinge aus anderen Zentren und Betrieben verbringen jährlich 32 Tage bei uns. Nach drei Jahren erhalten sie ein staatlich anerkanntes Diplom.

Welchen Stellenwert hat die duale Ausbildung in Benin?

Ohne die duale Ausbildung haben die Lehrlinge bisher zwar in den Werkstätten ihrer Meister gearbeitet. Es gab aber weder einen Plan noch eine Überprüfung der Fortschritte. Das duale System stärkt nun die Lehrlinge. Sie erhalten theoretischen Unterricht und Französisch-Stunden. Dadurch können sie sich besser ausdrücken und haben ein besseres Verständnis für ihre Arbeit.

Wie läuft Ausbildung üblicherweise ab?

Wer eine Lehre machen will, sucht sich dafür eine Werkstatt. Auch muss dem Besitzer eine Ausbildungsgebühr gezahlt werden. Offiziell ist das zwar verboten. Es passiert aber trotzdem.

Es bleibt der Traum vieler junger Beniner*innen, dass Abitur zu machen und zu studieren. Woran liegt das?

Unsere Kolonialherren haben gesagt: Ihr müsst zur Schule gehen. Allerdings ist der Unterricht viel zu theoretisch. Die Ab­sol­ven­t*in­nen haben zwar die Diplome, von denen sie geträumt haben. Die Realität sieht aber anders aus. Je­de*r will Arzt, Geograf oder Philosoph werden. Doch lässt sich mit dem Abschluss wirklich etwas erreichen? Es ist schwierig, eine staatliche Anstellung zu finden. Freie Stellen als Pro­fes­so­r*in oder Do­zen­t*in gibt es nicht. Immer mehr verstehen, dass eine Ausbildung hilfreich ist. Mit dieser ist man unabhängig. Deswegen kommen zu uns auch Interessenten, die ein Abitur haben.

Es fehlt also an Arbeitsplätzen für Hochschulabsolventen, egal wie gut das Diplom ist.

Ja. Wir hatten kürzlich eine Stelle ausgeschrieben und haben jemanden gesucht, der sich um Pressearbeit kümmert. Es hat sich um eine einzige Stelle gehandelt. Auf diese Ausschreibung haben wir 100 Bewerbungen bekommen.

Wie reagiert der beninische Staat darauf?

Er möchte die bisherige Tendenz ändern: Bisher besuchten etwa 70 Prozent weiterführende Schulen und Universitäten und nur 30 Prozent machten eine Ausbildung. Genau diese Zahlen sollen sich umkehren. Auch will man versuchen, Schüler*innen, die Schwierigkeiten in der Schule haben, für eine praktische Ausbildung zu begeistern. Die muss aber qualitativ hochwertig sein. Dem Staat ist also sehr klar, dass nicht je­de*r eine Universität besuchen kann. Interview: KatrinGänsler