piwik no script img

Boutiquen statt Malls

Wie gut, dass die tagesaktuellen Tests abgeschafft wurden und ein negativer Schnelltest stattdessen 24 Stunden gültig ist. So lassen sich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Essen am Abend und am nächsten Vormittag gemütlich bummeln.

Oder mitbummeln und beraten. Erste Station ist eine Boutique an der Sredzkistraße. Aufmerksam kontrolliert die Inhaberin unsere Testergebnisse. Einchecken mit der Luca-App ist nicht, es muss alles noch händisch ausgefüllt werden. So wie nach der ersten Welle in diesem im Nachhinein so unbeschwerten Sommer 2020.

Corona-Erinnerung: Sie reicht nicht unbedingt mehr zurück ins Leben vor der Pandemie, sondern umfasst bereits alle Phasen der Pandemie selbst: Die Angst vor Türklinken und versehentlichen Berührungen, die rauhe Haut vom Händewaschen, die Ablösung der Stoffmaske durch die Livinguard, dann FFP2, erst weiß, dann schwarz. Umfasst auch die selbstgebastelte Illusion, mit dem Sommer 2020 sei alles vorbei, den Schrecken der zweiten, das „#Müten“ gegen die dritte Welle. Und jetzt, was kommt nach dem Öffnen im Mai 2021? Die Mutantenphase der Pandemie?

Wir sind nicht die Einzigen in der Boutique. Eine Frau schiebt eher unlustig ein Sommerkleid nach dem andern am Haken zur Seite. Ihre Bekannte muss draußen bleiben, kein Test. Die Inhaberin stellt ihr einen Stuhl vor die Tür. Es donnert, gleich kommt die nächste Husche.

Im Klamottenladen nebenan hat die Besitzerin bereits die Außenauslage in Sicherheit gebracht. Ich warte draußen, flüchte mich aber dann doch vor dem Regen in den Laden. Der Besitzerin habe ich beim Plaudern gesagt, ich hätte auch einen Test. Sie will ihn nicht sehen. Voller Eile habe ich vergessen, die Maske aufzusetzen. Ich habe es erst gemerkt, als ich dachte, irgendwas stimmt nicht. Keine Maske stimmt also nicht, die Maske ist das neue Normal. Wann wird sich das wieder ändern?

Auf dem Kollwitzmarkt dürfen nun auch die Stände wieder öffnen, die keine Lebensmittel verkaufen. Alle sind sie wieder da, der Stand mit den Frühstücksbrettern, die Fahrradrucksäcke, und voll ist der Markt, als hätte es nie eine Pandemie gegeben. Aluhüte trägt hier keiner, aber jeder trägt eine Maske. Hedonistisch und staatstragend geht es zu am Prenzlauer Berg.

Auf dem Rückweg noch was einkaufen in den Schönhauser Allee Arcaden. Überraschend sind hier die meisten Geschäfte zu. Rollläden unten, als sei irgendwas Schlimmes passiert. Das Leben findet wieder auf der Straße statt. In den Cafés, in den Boutiquen, individuell, handmade. Die Pandemie als der Anfang vom Ende der Malls? Es wird garantiert wieder anders kommen, als wir denken. (wera)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen