Der Badesanzug riecht beim Ausziehen nach Chlor – und Sommer

Endlich, ein Stück Normalität ist zurück: Im Sommerbad am Insulaner ist wieder was los Foto: Emmanuele Contini/imago

Der Mann vor dem Eingangstor zum Sommerbad Pankow in der Wolfshagener Straße ist sichtlich aufgebracht. Völlig „unorganisiert“ alles, und überhaupt: „Zu spät, alles viel zu spät!“

Die Unternehmenssprecherin, die die Berliner Bäder-Betriebe früh um halb acht am ersten Tag der Freibadöffnungen nach Coronawelle Nummer drei vor dem Eingang postiert haben, um diverse Presseteams in Empfang zu nehmen, ist ein bisschen überrumpelt: Was denn zu spät sei? „Na, sonst haben die Bäder immer am 1. Mai geöffnet“, und warum man hier nicht mehr spontan Tickets kaufen könne, poltert der Herr. Ob er denn nicht wisse, dass Corona sei?, gibt die Sprecherin sichtlich perplex zurück.

Dafür ist die Stimmung in der kleinen Schlange vor dem Einlass umso freundlicher. Wo in Vor-Corona-Zeiten oft schnell Ungeduld aufkam, wenn jemand etwa zu lange in seiner Geldbörse kramen musste, herrscht jetzt eine beinahe heitere Duldsamkeit: Mit dem Ticketscanner der Bäder-Bediensteten, der nicht jeden QR-Code des online vorab reservierten Tickets gleich erkennt. Mit der Vorderfrau, die umständlich das zwingend nötige negative Testergebnis irgendwo in den Mails auf ihrem Handy sucht.

Vielleicht ist es einfach nur Dankbarkeit, überhaupt wieder hier stehen zu dürfen – eigentlich ja eine Selbstverständlichkeit, schwimmen gehen. Aber gerade Selbstverständlichkeiten hat diese Pandemie schließlich sehr erfolgreich infrage gestellt. Was für ein Gefühl, sie sich wieder, Stück für Stück, zurückerobern zu können. Ein wenig lang ist das Gras auf den verwaisten Liegewiesen gewachsen, aber die dürfen erst mal ohnehin noch nicht genutzt werden, genauso wenig wie die Duschen.

Eine Stunde schwimmen erlaubt das gebuchte Zeitfenster frühmorgens, plus 30 Minuten zum schnellen Umziehen am Beckenrand. Mehr Zeit braucht es aber auch nicht: Das Wetter ist kühl, kein Wetter zum Planschen, aber zügig schwimmen geht gut. Wohl auch deshalb waren für das Pfingstwochenende die bislang elf geöffneten Sommerbäder – die restlichen 14 sollen bis Mitte Juni folgen – selten ausverkauft.

Im Wasser entwickelt sich schnell eine Art Kreisverkehr auf den doppelt so breit wie normal gespurten Bahnen. Lachen und rufen. Der Badeanzug riecht beim Ausziehen nach Chlor und Sommer. Endlich wieder, ein Anfang.

Anna Klöpper