Impftermin: ja – nein – vielleicht

Kurzfristig verschobene Impftermine und seltsame Callcenter-Anrufe: Die Mangelverwaltung im Impfzentrum produziert immer neue Verwirrung. Ein Ende ist so schnell nicht in Sicht

Immer wieder Ärger mit den Terminen: Schlange vorm Impfzentrum Foto: Marcus Brandt/dpa

Von Nadine Conti

Die Mail kam am Freitag vor Pfingsten. Im Anhang: Ein nicht personalisierter Brief, im Kopf die rot-blauen Logos des Impfzentrums, der Kampagne „Hamburg impft“, der Sozialbehörde und der kassenärztlichen Vereinigung. Im dürren Text: Die kurzfristige Verschiebung des lang ersehnten Impftermins in drei Tagen, am Pfingstmontag. „Hintergrund sind Verschiebungen beim Einsatz des Impfstoffes.“

Andrea Rossi (Name von der Redaktion geändert) kam das komisch vor. Warum so kurzfristig? Und warum wurde der Termin dann auch nur um 24 Stunden verschoben? Wie kann es sein, dass der Impfstoff am Montag nicht zur Verfügung steht, am Dienstag dann aber plötzlich doch? Hatte man vergessen, die Feiertage einzukalkulieren?

Oder waren hier möglicherweise Impfgegner*innen am Werk, die auf Sabotage aus waren? Gerüchte darüber gibt es schon länger, im April hatte das Innenministerium Brandenburgs auf Bitten der dortigen kassenärztlichen Vereinigung gewarnt, dass per E-Mail gefälschte Absagen verschickt werden. Die Fälscher*innen benutzten die Absenderadresse „noreply@impfterminservice.com“, die sich von der echten Adresse „noreply@impfterminservice.de“ nur durch die Endung unterschied. Versendet wurden die Mails dort offenbar massenhaft wie Spam-Mails – Hinweise auf ein Datenleck beim Impfportal gab es keine.

Gleichzeitig hatte das Impfzentrum in Hamburg ja gerade erst mit Terminchaos für Schlagzeilen gesorgt. Am Himmelfahrtswochenende waren deutlich weniger Impfwillige gekommen als eingeplant. Von insgesamt 5.800 Bürger*innen, die ihren Termin einfach hatten sausen lassen, sprach die Kassenärztliche Vereinigung Hamburgs (KVH) gegenüber dem Hamburger Abendblatt. Als „Impfschwänzer“ titulierte man die.

Am Montag darauf stellte das Impfzentrum also mehr Termine ein, um den Impfstoff doch noch unters Volk zu bringen. Prompt bildeten sich lange Schlangen rund um den Schanzenpark und man musste bis abends um 21.50 Uhr durchimpfen, um den Stau abzuarbeiten.

Das bescherte der Stadt immerhin einen neuen Impfrekord: 10.599 Impfungen an einem Tag, eigentlich ist das Zentrum auf rund 7.000 Impfungen pro Tag ausgelegt. Aber war dieses Chaos vielleicht auch da schon weniger auf Kurzurlauber*innen, als vielmehr auf Planungschaos und kurzfristige Terminverschiebungen zurückzuführen?

Was bei Andrea Rossi zusätzlich für Misstrauen sorgte: Eine ihm unbekannte Frankfurter Nummer versuchte mehrfach ihn zu erreichen. Wenn er zurückrief, landete er in einer Warteschleife. Als die Verbindung endlich klappte, wurde ihm auch hier mitgeteilt, dass der Termin verschoben worden sei.

Andrea Rossi suchte im Internet nach einer offiziellen Mitteilung oder Bestätigung. Doch das Einzige, was er fand, waren ein paar weitere Betroffene, die sich auf Twitter über die plötzliche Verschiebung beklagten. Er entschied, einfach zum ursprünglichen Termin ins Impfzentrum zu gehen. Als er dort am Empfang den Brief mit der angeblichen Verschiebung vorlegte, fielen die Mit­ar­bei­te­r*in­nen aus allen Wolken. Davon wüssten sie nichts, das Schreiben hätten sie vorher auch nie gesehen. Andrea Rossi wurde anstandslos geimpft.

Waren hier Impfgegner*innen am Werk, die auf Sabotage aus waren?

Nun ja, versucht der Pressesprecher der Sozialbehörde Martin Helfrich zu erklären, die Impfstofflogistik sei eben sehr kompliziert. In Hamburg werde quasi „just in time“ verimpft, wenn es zu Schwankungen und Lieferausfällen käme – dann müssten eben auch die Termine angepasst werden. Dazu werden die Betroffenen angemailt oder auch angerufen – und ja, dabei sei auch ein Callcenter in Frankfurt im Einsatz. Aus Gründen des Datenschutzes haben aber nicht alle Mitarbeiter*innen im Impfzentrum und bei der Kassenärztlichen Vereinigung Zugriff auf alle Daten – möglicherweise liefen hier deshalb die Rückfragen ins Leere und Mit­ar­bei­te­r*in­nen waren nicht im Bilde.

Wie viele Menschen von so kurzfristigen Terminverschiebungen betroffen waren und sich hinterher womöglich als „Impfschwänzer“ titulieren lassen müssen, vermag Helfrich nicht zu sagen. Dazu müsste man erst eine eigene Auswertung vornehmen, wehrt er ab.

In der Quintessenz bleibt aber die Erkenntnis: Ganz so präzise wie man gerne tut, ist die Zuordnung von Impfstoff und Impfterminen nicht, zu ein paar mehr oder weniger Impfungen am Tag kommt es am Ende immer. Dass dies angesichts des großen Mangels immer mal wieder für Ärger, Frust und Unverständnis sorgt, wird wohl auch noch eine Weile so bleiben.

Das Hamburger Impfzentrum hält angesichts der Impfstoffknappheit an der Priorisierung fest und will weiterhin besonders gefährdete Gruppen bevorzugt impfen. Gleichzeitig berichtete der medizinische Leiter des Zentrum Dirk Heinrich der dpa schon vom einsetzenden Feilschen um die Termine für die Zweitimpfung: So man­che*r Impf­wil­li­ge*r hätte hier gern die Urlaubsplanung berücksichtigt – was im Impfzentrum natürlich nicht möglich ist. Wenn die Leute es dann lieber beim Hausarzt versuchen, beginnt die Termin-Rochade von vorne.