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Die bedenkliche Liebe zu den falschen Tieren

Import und Haltung von exotischen Tieren gefährden Artenvielfalt und Gesundheit. Eine Gesetzesinitiative aus Bremen versucht das bundes- und europaweit zu stoppen

Niedlich, aber in Australiens freier Wildbahn besser aufgehoben: Blauzungen­skink beim Blick übern Futternapfrand Foto: Gayleen Froese/pixabayCC

Von Harff-Peter Schönherr

In Deutschlands Wohnzimmern, so scheint es, gibt es alle Ökozonen der Welt, von den Subtropen bis zur Trockensavanne. Auch Zwergseidenäffchen und Axolotls leben hier, Königspythons und Maurische Landschildkröten, Pfeilgiftfrösche und Kronengeckos. Wildtiere, gekauft in Baumärkten und auf Exotenbörsen, über Facebook-Gruppen oder Onlineportale, in Zoogeschäften, in Gartencentern, im Versandhandel.

Manche leben hier wegen ihres Kuschelfaktors, andere wegen ihrer Seltenheit, die sie zu Statussymbolen macht. Viele stammen aus Wildfängen, direkt aus der Natur. Philipp Bruck, tierpolitischer Sprecher der Fraktion der Grünen in der Bremischen Bürgerschaft, empört das. „Nichtmenschliche Tiere“ würden „von unserer Gesellschaft ausgebeutet“. Zudem stelle der Handel und Import wildlebender Tiere „eine Gefahr für Umwelt, Tiere und Gesundheit dar“. Eine Reduzierung der privaten Nachfrage sei „dringend geboten“. Mit einem Antrag hat Bruck nun dafür gesorgt, dass sich der Bremische Senat auf Bundesebene und in der EU für ein Verbot von Lebend­importen von Wildfängen einsetzt und dafür, den Handel von Wildtieren online und auf Exotenbörsen zu stoppen.

Der Antrag, auf den Weg gebracht durch die Grünen, erhielt im Januar die Unterstützung aller wichtigen Fraktionen Bremens von CDU bis zur Linken. Nur FDP und die aus Flügelkämpfen der AfD hervorgegangene MRF-Gruppe enthielten sich. „Was da drinsteht, ist eigentlich ein alter Hut“, sagt Bruck. „Aber durch Corona hat es neue Aktualität bekommen.“ Eins der Hauptargumente: „Der enge Kontakt von Menschen und wildlebenden Tieren kann für die Entstehung von Epidemien verantwortlich sein.“

Dass ein Vorstoß im Bundesrat Erfolg hat, hält Bruck für „sehr realistisch“. Vielleicht nicht mehr vor den Bundestagswahlen im Herbst. Aber danach, „ob die Grünen dann in der Regierungsverantwortung sind oder nicht“. Peter Höffken, Fachreferent bei der Tierrechtsorganisation Peta Deutschland, Stuttgart, begrüßt Brucks Initiative als „guten Schritt in die richtige Richtung“. Ein reines Importverbot reiche aber nicht. „Wir arbeiten weiterhin auf ein umfassendes Handels- und Haltungsverbot für Privatpersonen hin, da exotische Wildtiere, auch nachgezüchtete, nach unserer Auffassung nicht ins Wohnzimmer gehören.“ Hunderttausende Wildtiere werden jedes Jahr nach Deutschland exportiert, auf den größten Markt für Wildtiere in der EU. Tausende von Tierarten sind betroffen.

Höffken warnt vor einem „gravierenden Problem“, das viele Faktoren hat. Da ist der Artenschutz: „Naturentnahmen sind eine Gefahr für ihn; manche Tierart steht dadurch kurz vor dem Aussterben.“ Da ist der Tierschutz: „Viele Tiere sterben beim Transport, viele verfrüht an den Folgen ihrer Gefangenschaft.“ Da sind die Zoonosen, von Wildtieren auf Menschen übertragene Krankheiten. Und da ist die Veränderung der heimischen Fauna durch die Ausbreitung invasiver Arten. Die Bundesregierung müsse endlich handeln. „Seit Jahren wird das nun schon diskutiert. Wirklich passiert ist bisher aber nichts!“

Wie gravierend das Problem ist, zeigt auch die Studie „Strategien zur Reduktion der Nachfrage nach als Heimtiere gehaltenen Reptilien, Amphibien und kleinen Säugetieren“ des Bundesamts für Naturschutz (BfN) von 2020. Eine ihrer vielen Empfehlungen ist, „den kommerziellen Handel hin zu verifizierten Nachzuchten und weg von Wildfängen zu lenken“. Sie spricht von der „Zerstörung von ­Mikrohabitaten durch teils destruktive Fangmethoden“, von unzuverlässigen Herkunftsangaben, von Artenschutzinstrumenten, die dem Handelsgeschehen hinterherhinken. Auch auf Gesundheitsrisiken geht sie ein: Der Wildtierhandel spiele „eine wesentliche Rolle bei der globalen Verbreitung von Pathogenen, neu aufkommenden Infektionskrankheiten“.

„Es gibt keinen Grund, warum Tierfreunde keine Wildtiere als Heimtiere halten sollten“

Antje Schreiber, Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe (ZZF)

Wie gut Bremens Chancen in Berlin sind, zeigt ein Gastbeitrag von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CDU) in der Rheinischen Post von Anfang ­April 2021: Der Ausbruch der Pandemie sei „auch Folge des weltweit ausbeuterischen Umgangs mit der Natur“. Das Virus habe seinen Ursprung bei Wildtieren. Deswegen müsse man „den Wildtierhandel drastisch verringern“.

Antje Schreiber, Sprecherin des Zentralverbandes Zoologischer Fachbetriebe (ZZF), Wiesbaden, wehrt das ab: „Der ZZF lehnt ein pauschales Verbot des Imports und Handels mit Wildtieren ab. Es gibt keinen Grund, warum Tierfreunde keine Wildtiere als Heimtiere halten sollten, wenn dies tierschutzgerecht möglich ist.“ Der ZZF setze sich „für einen verantwortungsvollen und artgerechten Umgang mit Heimtieren“ ein. „Eine generelle Einschränkung von Wildtierhandel und -haltung hätte Folgen bis hin zur Gefährdung frei lebender Populationen“, behauptet Schreiber. „Ein Effekt in Bezug auf Pandemien ist hingegen nicht zu erwarten.“

Wildfänge als Wohl für die Natur? Ein generelles Importverbot „würde in vielen Regionen die Lebensgrundlage der Bevölkerung zerstören, die sich deshalb andere Einkünfte erschließen müsste“, sagt der ZZF. „Eine weitere Rodung von Regenwald wäre die Folge.“ Damit, so ihre Darstellung, „würde auch der Artenrückgang bis hin zum Aussterben beschleunigt“. Die BfN-Studie sieht das anders. „Vornehmlich Reptilien, Amphibien und kleine Säugetiere werden auch für den deutschen Heimtiermarkt nachgefragt“, konstatiert Beate Jessel, Präsidentin des BfN, „was mit dazu führt, dass die Arten in ihren Ursprungsländern zunehmend gefährdet sind.“