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Indien: Strikte Behörden

Muslime fragen, warum der Lockdown erst nach dem Hindu-Fest beginnt

Aus Mumbai Natalie Mayroth

Für eine kleinere Gruppe Mus­li­me wie Khozina Hossein ist Mittwoch schon der dritte Tag des Fastens. Er gehört zur muslimischen Gemeinschaft der Dawoodi Bhora, die in Mumbai 200.000 Menschen zählt. Hossein ist Leiter ihrer Gemeinschaftsküche im Stadtteil Bandra. Sie ist derzeit noch offen, aber die Moschee nebenan schon geschlossen. Da die Coronafälle in Mumbai wieder stark gestiegen sind, mussten alle Gotteshäuser schließen. 

Gekocht wird noch bis Ende der Woche. Während des Ramadan beginnt Hosseins Arbeit später als sonst. Normalerweise stehen die Männer ab 3 Uhr früh in der Küche, bis mittags wird ausgeliefert. Jetzt kommt das Essen erst kurz vor Sonnenuntergang mit extra Iftar-Speisen zum abendlichen Fastenbrechen. Tagsüber fasten auch strenggläubige Bohra, sagt Hossein. Das ist bei Temperaturen von über 30 Grad nicht leicht, aber eine Frage der Gewohnheit.

In den umliegenden Gassen, in denen auch andere Mus­li­me leben, haben Händ­le­r:in­nen seit dem Nachmittag Mangos, Datteln und Granatäpfel drapiert. In einem Laden wird süßes Fladenbrot mit Nüssen gebacken. Doch das ändert nichts daran, dass im westindischen Maharashtra dieses Jahr Ramadan in einen Lockdown fällt. 

Am Dienstagabend wurde verkündet, dass ab Freitag ein neuer Lockdown zunächst für zwei Wochen gilt. Schon zuvor mussten viele Geschäfte schließen und galt eine Ausgangssperre ab 20 Uhr. Die Bohra-Moschee war kaum mehr als zweieinhalb Monate offen, sagt Hossein. Die meisten indischen Muslime sind Sunniten, für die am Dienstag der Ramadan eigentlich mit dem Tarawih-Gebet in der Moschee begann. In Mumbai fiel das aus. 


Einige Geistliche und Gemeindevorsteher hatten vergeblich an Maharashtras Regierung appelliert, Beschränkungen von Moscheen zu lockern und Einlass unter Einhaltung eines Mindestabstands zu erlauben. Manche Mus­li­me wundern sich, warum der Lockdown erst nach dem lokalen Hindu-Neujahr (Gudhi Padwa) am Dienstag und dem in Mumbai wichtigen Gedenktag des Dalitvorkämpfers Bhimrao Ramji Ambedkar am Mittwoch beginnt.

Klar ist, dass in Mumbai die Fälle rasch ansteigen und die Krankenhäuser schon überlastet sind. Imran, der in der Nachbarschaft wohnt, kann die Unzufriedenen verstehen, aber auch die Politik. Es scheint Pech zu sein, dass Ramadan jetzt bereits zum zweiten Mal in den Lockdown fällt.

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