: Irland bleibt länger geschlossen
Die Insel hatte einst die niedrigste Infektionsrate in der EU, dann die höchste Neuinfektionsrate der Welt
Aus Dublin Ralf Sotscheck
Die dritte Welle, der dritte Lockdown – Irland ist seit Jahresbeginn geschlossen. Die höchste Restriktionsstufe 5 gilt bis Montag, doch danach ist kaum mit Lockerungen zu rechnen. Bis auf Lebensmittelgeschäfte und Apotheken ist alles geschlossen. Hausbesuche sind verboten. Man darf sich nur fünf Kilometer von der eigenen Wohnung entfernen. Nur Grundschulen sind Mitte März schrittweise geöffnet worden.
Doch die Maßnahmen zeigen nur bedingt Wirkung. Zwar mussten weniger Coronapatienten ins Krankenhaus oder auf die Intensivstation. Aber die Zahl der Neuinfektionen stagniert und geht nicht entscheidend zurück. Das liegt vor allem an der infektiösen britischen Virusmutation B 1.1.7, die inzwischen für über 90 Prozent der Fälle verantwortlich ist. Die Regierung hatte es versäumt, Einreisebeschränkungen zu verhängen. Auch wurden Restriktionen populistisch zu Weihnachten aufgehoben, was Irland teuer zu stehen kam.
Im Dezember reisten 165.000 Menschen nach Irland. Viele brachten neben Weihnachtsgeschenken auch das Virus mit. Hatte die Grüne Insel Anfang Dezember die niedrigste Infektionsrate der EU, weil man Ende Oktober scharfe Restriktionen verhängt hatte, so verzeichnete sie Anfang Januar die höchste Neuinfektionsrate der Welt. Deshalb musste man die Reißleine ziehen. Silvester wurde erneut Restriktionsstufe 5 verhängt. Aber erst seit vorigem Freitag müssen Einreisende aus Hochrisikogebieten für zwei Wochen ins Quarantänehotel – auf eigene Kosten, selbst bei negativem Testergebnis. Die vier vorgesehenen Hotels bewachsen Sicherheitsfirmen und die Armee.
Die bisherige Coronabilanz: mehr als 235.000 Fälle bei 5 Millionen Einwohnern, fast 4.700 Tote, von denen 40 Prozent in den ersten sechs Wochen 2021 gestorben sind. Premierminister Micheál Martin rechnet nicht damit, dass die Neuinfektionen im April auf unter 500 pro Tag sinken werden. Ein Gesundheitsexperte meint: „Wenn die Regierung im April etwas unternimmt, das die Welle verstärkt, wäre das eine Katastrophe. Wartet man aber bis Mai oder Juni, könnte das Risiko geringer sein.“ Auch das National Public Health Emergency Team, das die Regierung berät, setzt darauf, dass das verstärkte Impfprogramm in acht Wochen Wirkung zeigen werde. Bis dahin müssen die Iren durchhalten. Das tun sie relativ gelassen.
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