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: Also sprach Pandora: In Deutschland ist es auch schön

Es wird also weiter gelockdownt. Biochemiker, die an dem Impfstoff, der gegen Corona hilft, mitgearbeitet hatten, gehen mittlerweile von einem Lockdown bis zum Herbst aus; kein Wunder bei den unübersichtlichen Mutationen, dem starren Festhalten am Prinzip des Holzhammers und der bürokratischen und logistischen Total-Überforderung der Behörden in Sachen Eindämmung dieser Plage.

Mittlerweile reicht der Platz dieser Kolumne kaum aus, um alles aufzuschreiben, was man zum Thema aufzuschreiben hätte. Auf dem Buchmarkt sind längst die ersten fortlaufenden Bücher zum Thema erschienen. Leider nicht gibt es das Werk „Die Krankheit der Gesellschaft“, dabei wäre es ein Buch, das der Soziologe Niklas Luhmann in seiner Gesellschaftstheorie-Reihe dringend hätte schreiben müssen; wer sonst bekam den gesamten Komplex Pandemie schon anschaulich erklärt. „Die Büchse der Pandora“ hingegen gibt es schon, in vielfacher Ausfertigung, auch wenn es da nicht nur um Pandemien, sondern um alle Übel der Welt geht, wie, Zitat, „Arbeit, Krankheit und Tod“. Wer aber genau die Pandora war, die in Wuhan die Büchse geöffnet hat, und wie man das sich von dort aus quer über die Erde weiterverbreitende Virus wieder in die Büchse zurückholt, ist noch nicht hinreichend geklärt.

In der privaten Malaise

Und so sitzt man in seiner eigenen privaten Malaise, gefangen zwischen der Hysterie der einen und der Hysterie der anderen Seite; Hysterie von rechts, von links und Hysterie in und von der Mitte. So rum oder so rum: Die einen haben übertriebene Angst vor neuen, unbekannten Impfstoffen, die anderen haben die Angst per se zur neuen Normalität erkoren; als Angst, die uns leitet (und regiert), und in der Mitte herrschen ebenfalls Ängste. Angst vor Sicherheitsterror zum Beispiel, soziale, ökonomische und psychologische Ängste. Es ist bei all dem ja nicht so, dass man nicht auch gerne etwas Hoffnung hätte und auf gute Nachrichten lauerte, aber gute Nachrichten gibt es kaum noch. Denn es scheint, als hätte Kassandra ihren Nietzsche ganz genau gelesen, der nämlich meinte, dass die Hoffnung „in Wahrheit das übelste der Übel [ist], weil sie die Qual der Menschen verlängert“, und am Ende behält Kassandra immer Recht, und die einen hören auf sie und die anderen nicht und die in der Mitte mal so und mal so.

Jedenfalls führt das manchmal zu komischen Effekten, nämlich zum Beispiel zu dem, dass einem als Mitarbeiter einer Zeitung immer stärker nach Medienabstinenz zumute ist, total oder halbtotal; dass Mallorca und das Reisen dorthin erst das volle Übel ist, weil superspreadend, dann wiederum sich ein Trotz breit macht, der sagt: Jetzt erst recht. Schade nur, dass ich gar nicht in der Situation für Mallorca bin, und am Ende ist Mallorca nur eine Chiffre für Klassenkampf, weil andere können sich die Kanaren leisten, oder griechische Inseln. Davon ist aber medial überhaupt nicht die Rede, jedenfalls nicht moralisch-scheltend. Und überhaupt, was ist mit Deutschland, da ist es doch auch schön.

Und sollte man nicht lokal denken, auch wegen der Umwelt, und auch wegen der Wirtschaft, andererseits treten die Leute jetzt schon alles platt, im Harz gibt es einen ganzen Berg, dessen Scharthöhe von all den Heimtouristen schon ganz plattgetrampelt ist.

Wie man es macht, ist es falsch oder kann auch anders gemacht werden. Mir wäre es inzwischen durchaus recht, wenn man mit allen erdenklichen Mitteln auf den Virus draufschlägt, 24/7-Nachver­folgung, 24/7-Testung, 24/7-Impfung bei allgemeiner Impfpflicht, damit endlich Ruhe ist, danach feiern wir die Freiheit, so aber ist das alles nichts, sogar so sehr nichts, dass man auf krumme Gedanken kommt und Absicht dahinter vermutet, denn, mal ehrlich, das kann doch alles gar nicht wahr sein. René Hamann