die woche in berlin
: die woche in berlin

Der Wohnungsmarktbericht nimmt den Gegnern des Mietendeckels den Wind aus den Segeln. Das Impfstoffdesaster um AstraZeneca hat für viele Ber­li­ne­r:in­nen ganz persönliche Konsequenzen. Und Gartenzwerge für alle: SPD und Linke haben ihren Entwurf für ein „Kleingartenflächensicherungsgesetz“ präsentiert

Der Strohhalm der Mieten­deckelgegner

Wohnungsmarktbericht: Mieten sinken, Neubau zieht an

Für die ideologischen Geg­ne­r*in­nen des Mietendeckels wird es langsam eng, denn ihnen gehen zunehmend die Argumente aus. Einer der wenigen Strohhalme, an den sie sich jetzt noch klammern, ist ziemlich dünn. Es ist die im vergangenen Jahr leicht rückläufige Zahl an Baugenehmigungen für neue Wohnungen, die wieder runter die 20.000er Marke gerutscht ist. Schaut, rufen die Be­für­wor­te­r*in­nen des freien Marktspiels: Der Mietendeckel zerstört den Neubau.

Ihr Ruf allerdings hat an Überzeugungskraft verloren. Angesichts eines Staus von 65.000 bereits genehmigten, aber noch nicht gebauten Wohnungen wird der Neubau in absehbarer Zukunft nicht zusammenbrechen. Aktuell ist dieser wieder auf seinem Rekordhoch der 1990er Jahre angelangt, wie der diese Woche vorgestellte Wohnungsmarktbericht von Investitionsbank IBB und Senat zeigt. 19.000 neu fertiggestellte Wohnungen 2019, und die prognostizierte Hoffnung, dass die Statistik für 2020 gar 20.000 ausweisen wird. In der Stadt, in der der Neubau aufgrund des Mietendeckels zusammenbrechen sollte, ächzen die Baufirmen unter der Last der Aufträge.

Eine Kritik, die die Anti-Mietendeckel-Lobby nie formuliert, aber bleibt. Der Neubau wird immer teurer – ein Quadratmeter kostete 2020 mit 15,26 Euro 1,22 Euro mehr als im Vorjahr. Das Mietenproblem der Stadt kann dieser Neubau nicht im Ansatz lösen. Es ist daher höchste Zeit für ein vom Berliner Mieterverein gefordertes breites Bündnis für Gemeinwohl-Neubau und einer Taskforce, die „Abhilfe für diese Marktprobleme“ schaffen soll.

Die entscheidende Nachricht des Wohnungsmarktberichts aber ist: Der Mietendeckel erzielt seine eigentlich beabsichtigte Wirkung. Erstmals seit Beobachtung des Marktes verzeichnet die IBB einen Rückgang der Mieten. 2020 sank der mittlere Mietpreis um 31 Cent auf 10,14 pro Quadratmeter. Ohne Angebote im Neubau lag der Mittelwert der verlangten Mieten im vierten Quartal bei 9,87 Euro und damit erstmals seit 2017 unter der 10-Euro-Grenze. Tatsächlich zahlen müssen die meisten Neu­mie­te­r*in­nen im Moment sogar weniger, denn die Zahlen basieren zu einem großen Teil auf Schattenmieten, die in den Inseraten angegeben werden, aber nicht entgegengenommen werden dürfen.

Diese Unsitte der Schattenmieten wird von den Mietendeckelgegnern nicht kritisiert, ebenso wenig, dass Vermieter Wohnungen lieber leerstehen lassen, als zu einem gesetzeskonformen Preis zu vermieten. „Durch den Mietendeckel gibt es kaum noch Wohnungsangebote“, rufen sie dann. Auch dieser Strohhalm ist dünn. Erik Peter

Die entscheidende Nachricht des Wohnungs­marktberichts aber ist: Der Mietendeckel erzielt seine eigentlich beabsichtigte Wirkung

Erik Peter über den Wohnungsmarktbericht von Investitionsbank und Senat, der einen Rückgang der Mieten verzeichnet

Dieses Risiko – oder lieber
das andere?

Aus für AstraZeneca-Impfung. Eine persönliche Erfahrung

Das war gleich eine doppelte Überraschung, als ich vergangene Woche eine Einladung zur Corona-Impfung in meinem Briefkasten fand. Zum einen natürlich die Einladung selbst – als Mitte-50-Jährige hatte ich nach dem bisherigen Impfverlauf eher damit gerechnet, irgendwann 2022/23 an die Reihe zu kommen. Zum anderen aber überraschte mich die riesige Erleichterung, die ich empfand: endlich Sicherheit! Welche Anspannung sich mit der nun seit über einem Jahr bestehenden Dauerfurcht vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus verbindet, wurde mir in dem Moment erstmals klar.

Große Freude also, und noch mehr Freude, als ich feststellte: Impftermine sind ganz einfach zu haben! Gleich für den Ostersonntag konnte ich einen vereinbaren, mit AstraZeneca. Hurra!

Nun, Sie wissen bereits Bescheid: Pustekuchen. Am Dienstag dieser Woche wurden Impfungen mit AstraZeneca für alle unter 60-Jährigen gestoppt. Mein Impftermin ist also abgesagt, Termine in Zentren, die mit anderen Mitteln impfen, sind in Berlin auf absehbare Zeit nicht zu haben.

Was nun? Ich wurde, wie aus der Einladung hervorgeht, als Impfkandidatin auserkoren, weil ich in ärztlicher Dauerbehandlung bin. Grund ist eine chronische Erkrankung meines Immunsystems, die einen schweren Verlauf von Covid-19 nach einer Infektion mit dem Coronavirus wahrscheinlicher macht – das macht mich zu einer möglichen Risikopatientin. Gerade deshalb sollte ich ja geimpft werden.

Nun muss ich dieses Risiko weiter tragen, weil man mich vor dem Risiko seltener Impfnebenwirkungen schützen will. Aber vielleicht geht es ja auch bald schon weiter. Im ersten Schritt soll ja der Impfstoff jetzt erst mal umbenannt worden sein, wie man hört. Es heißt jetzt Raider. Alke Wierth

das war‘s

Attraktive Wahlkampf­munition

SPD, Linke und Grüne sind sich uneins beim Thema Kleingärten

Pünktlich zu Ostern haben sich auch Berlins Gärten mit einem hübschen grünen Flaum überzogen. Es knospt und sprießt allenthalben, aber wer Grabegabel und Spaten sein eigen nennt, sollte jetzt lieber noch einmal tief durchatmen und abwarten oder seine Schützlinge unter Glas vorziehen – es kommen wieder kalte Tage und fiese Spätfröste drohen bekanntlich bis in den Mai.

Ungewohnt frostig ist es auch in der Koalition, und zwar ausgerechnet beim Thema Kleingärten. Dabei ist die inhaltliche Übereinstimmung enorm: Sowohl die beiden roten als auch die grüne Fraktion wollen den Bestand von 70.000 Parzellen nach Möglichkeit schützen und erweitern. Sie wissen sowohl um die soziale Bedeutung dieser Flächen, die gerade in der Pandemie besonders deutlich wird, als auch um ihr noch lange nicht ausgeschöpftes ökologisches Potenzial.

Dumm nur, dass das Thema auch attraktive Wahlkampfmunition bietet: Bezieht man das direkte soziale Umfeld der PächterInnen ein, geht es schnell um Hunderttausende WählerInnen, die natürlich auch ein sehr konkretes, persönliches Interesse daran haben, dass ihre Oasen sicher bleiben.

Und wie ließe sich diese Sicherheit besser herstellen als durch ein Gesetz? Finden SPD und Linke und haben jetzt einen entsprechenden Entwurf präsentiert, der eine verlässliche Lösung insbesondere für die rund 16.500 Parzellen ohne dauerhafte Sicherung verspricht. Diese sind zum größeren Teil faktisch ungefährdet, bedürfen aber für einen definitiven Schutzstatus der Anpassung alter Bebauungspläne. Der kleinere Teil, rund 7.000 Gärten, befindet sich dagegen tatsächlich im Visier der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, die dringend Flächen für Wohnungsbau benötigt.

Letztere Parzellen sind zu 100 Prozent in Landeseigentum, und im Gesetzentwurf von „Rot-Rot“ heißt es dazu ganz simpel: „Die landeseigenen Kleingartenflächen sind […] unmittelbar gesichert.“ Die Grünen weigern sich weiterhin, an eine so simple Lösung zu glauben: Sie haben sich vor einiger Zeit aus dem Gesetzesprojekt zurückgezogen, weil sie, auch untermauert durch wissenschaftliche Expertise, zu dem Schluss gekommen sind, dass ein solches Gesetz mit Bundesrecht kollidiert und letztlich vor Gericht zerpflückt würde.

Sie verweisen auf den bestehenden Kleingartenentwicklungsplan (KEP) und wollen ihrerseits mit einem Parlamentsbeschluss eine politische Initiative starten, die Ernst macht mit der Sicherung. Das gehe aber, wie Fraktionschefin Silke Gebel sagt, „am Ende des Tages nur durch langweiliges, kleinteiliges Politikmanagement“. Nur dafür stünden die Grünen bereit, „nicht für Symbolpolitik“.

Argwöhnisch beäugen die Grünen nämlich die Rolle der SPD- und Links-geführten Senatsverwaltungen für Finanzen und Stadtentwicklung. Die sollten doch endlich mal tätig werden, um für die Stabilisierung der kippelnden Gärten zu sorgen, heißt es – was unter anderem bedeuten würde, endlich Ersatzflächen für Wohnungsbau zu identifizieren und zu sichern.

Bis der Koalitionszoff beigelegt ist, wird längst köstliches Gemüse auf Berlins Beeten reifen – bleibt zu hoffen, das es sich dabei wenigstens um die diesjährige Ernte handelt. Claudius Prößer