Brandgeruch im Wehen der Winde

Die Ausstellung „La Eschucha oder Die Winde“ widmet sich der Situation indigener Gemeinschaften im Norden Argentiniens. Zu sehen ist sie nach Voranmeldung in der ifa Galerie in Berlin-Mitte

Filmstill aus „Territorium“ von Brayan Sticks. Brücke über dem Fluss Itiyuro bei Campo Durán, Salta, Argentinien Foto: Brayan Sticks, Ifa Galerie

Von Tom Mustroph

Die ifa Galerie Berlin ist derzeit in indigener Hand. Große handgewebte Teppiche, Tierfiguren und Menschenmasken aus Keramik und Videoscreens, auf denen Männer und Frauen bewaffnet mit Macheten und Gewehren Choreografien eines Kampfes ausführen, ziehen sofort die Blicke auf sich.

Die Arbeiten sind im Waldland des Gran Chaco im Norden Argentiniens entstanden. Acht „Pueblos originarios“ – indigene Gemeinschaften – haben die Eroberungs- und Kolonialisierungspolitik, die erst vor circa 100 Jahren einsetzte, überstanden. Mehr oder weniger gut, wie man aus den Arbeiten und dem Kontext ihrer Entstehung erfahren kann. Von den Toba beispielsweise gibt es nur noch wenige, berichtet Inka Gressel, Leiterin der ifa Galerie: „Sie waren ein sehr kämpferisches Volk und wurden daher massiv unterdrückt.“ Die Kämpfe des Toba-Kriegers Taikolic sind auch Grundlage des Videoessays „Territory“ von Brayan Sticks. Gemeinsam mit Lehramtsstudierenden inszenierte er das Reenactment einer von Taikolic angeführten Schlacht gegen das argentinische Invasionsheer.

Die Initiative für das Reenactment ging von der Erinnerungswerkstatt Taller de memoria étnica aus. Sie wurde vor 20 Jahren von indigenen Frauen zur Entdeckung, Bewahrung und Weitergabe ihrer Kultur gegründet. Im Video sieht man Männer und Frauen zu altertümlichen Waffen greifen, sich in Kampfformationen begeben und Angriffs- und Verteidigungspositionen einnehmen. Parallel dazu werden die Prozesse zur Wiederaneignung von Geschichte beschrieben.

Taikolic gilt den Toba als ihr San Martin, ein Gegenentwurf zu jenem südamerikanischen Freiheitshelden, der ein weiteres Jahrhundert zuvor den Unabhängigkeitskampf gegen die spanische Kolonialmacht angeführt hatte.

Mehrere Teppiche, die an Größe die Monitore überragen, entstanden in einer Kollaboration des Künstlers Guido Yannitto mit Weberinnen einer lokalen Genossinnenschaft der indigenen Wichí. Gewöhnlich stellen die etwa 150 Weberinnen der Kooperative Taschen mit traditionellen Mustern her. Yannitto gab Teppiche in Auftrag, was auch zur Veränderung der Muster führte. Materialien waren die klassischen Kaktusfasern, aber auch Plastikfäden, die aus Soja-Verpackungen gewonnen wurden. „Das ist eine Reaktion auf die zunehmende Brand­rodung wegen des Sojaanbaus. Diese führt dazu, dass immer weniger Kakteen wachsen. Als Alternative nehmen die Frauen nun die Plastiksäcke“, erzählt Gressel, die selbst in der Region Salta war, wo viele der Wichí leben. Die Recycling-Alternative ist allerdings sehr schmerzhaft. Die Frauen glätten die Plastikfäden mit der Hand – so, wie sie es auch mit den Kaktusfasern machen. Das natürliche Material ist freilich weicher, verletzt die Handflächen nicht so stark. Eingewebt in den blauen Teppich aus Plastikfäden, der sich in der Galerie befindet, ist also auch der Schmerz der Frauen.

Angeregt wird ein anderer Zugang zur Natur, zum Wald, den Flüssen und den dort lebenden Wesen

Einen Einblick in das Ausmaß der Brandrodungen erhält man durch das Handyvideo „Mein ewigen Leben bleibt hier“ von Juan de Dios Lopez. Er geht durch den Wald, hält Zwiesprache mit Pflanzen und Geistern und stößt dabei auch auf die brennenden Büsche und Bäume, die dem Sojaanbau Platz machen. Die Einwohner haben beobachtet, dass während der Pandemie, als Ausgangssperren herrschten und das öffentliche Leben massiv eingeschränkt war, die Brandrodungen sogar zunahmen. Die Pandemieregeln erstickten den Willen zum Widerstand, die halblegale Vorhut der Agrarkonzerne nutzte offenbar die Gelegenheit.

Im kleinen Vorraum der Galerie ist eine Audioinstallation der Radiostation Voz indigena gewidmet. Die Radiostation wurde ebenfalls vom Kulturzentrum der Erinnerungswerkstatt ins Leben gerufen. Sie ist Keimzelle der Selbstvergewisserung, des Widerstands und der Selbstorganisation. Angeregt wird ein anderer Zugang zur Natur, zum Wald, den Flüssen und den dort lebenden Wesen.

In indigener Tradition sind dies eben nicht Ressourcen wie aus dem Blick der westlichen Forst- und Agrarwirtschaft, sondern Entitäten, mit denen menschliche Gemeinschaften in komplexen Beziehungen leben. Mal herrscht dabei der nährende Aspekt vor, mal der warnende, mal der strafende. Auf den Wind hören, wie es der Ausstellungstitel vorschlägt, bedeutet dann auch, das eigene Verhältnis zu diesen Mitwesen neu zu denken.

Bis 18. April, ifa Galerie Berlin. Voranmeldung per Telefon (0 30-28 44 91 40) oder E-Mail (ifa-galerie-berlin@ifa.de)