heute in hamburg
: „Es gab in allen Religionen Dialog“

Debatte „Gott – Göttliches – Transzendenz“:mit Monika Kaminska, Halima Krausen, Carola Roloff und Silke Petersen, 19 Uhr, auf Zoom: https://tinyurl.com/2dc7zerf

Interview Petra Schellen

taz: Frau Roloff, inwiefern kann ein buddhistisches Gemälde des 11. Jahrhunderts – Fokus der heutigen Debatte – interreligiös sein?

Carola Roloff: Es handelt sich um Wandmalereien aus dem Sumtsek Tempel von Alchi in der nordindischen Provinz Ladakh, deren Rekonstruktion bis zum 11. April im „Museum am Rotherbaum – Kulturen und Künste der Welt“ virtuell zu sehen ist. Neben Buddhas, Bodhisattvas und buddhistischen Heiligen finden sich Symbole anderer Religionen und Menschen verschiedener Kulturen.

Welche?

Da sind zum Beispiel Gastmahl-Szenen zu sehen, die – was für den Buddhismus in dieser Intensität untypisch ist – einen starken blauen Farbakzent aufweisen und eher dem iranisch-muslimischen Kontext entstammen. Dazu kommen Elemente des indo-iranischen Zoroastrismus sowie Lichterkreuze aus der Tradition des Manichäismus, einer Offenbarungsreligion der Antike.

Wie ist das zu erklären?

Anhänger des Manichäismus wurden – da Konkurrenz zum Christentum, das im 4. Jahrhundert Staatsreligion wurde – im antiken Rom verfolgt. Sie wichen bis in die östlichen Provinzen Irans und ins westliche Zentralasien aus. Durch Alexander den Großen, der ungefähr zeitgleich Zentralasien besetzte, gerieten zudem hellenistische beziehungsweise griechische Einflüsse in die buddhistische Kunst.

Das alles war keine freiwillige Inter­religiosität.

Teils, teils. Die Gegend lag nahe der Seidenstraße. Es werden also auch Handelsreisende verschiedener Religionen den Tempel von Alchi besucht und sich in einigen Details wiedergefunden haben. Interreligiöse Begegnungen hat es gegeben und damit auch Offenheit und Toleranz. Wie tief der Dialog reichte, kann man im Nachhinein aber schwer sagen.

Foto: privat

Carola Roloff

Jg. 1959, ist promovierte Tibetologin, Indologin und buddhistische Nonne. An der Hamburger Uni leitet sie ein Forschungsprojekt zur buddhistischen Nonnenordination und ist im interreligiösen Dialog aktiv.

War solch ein „interreligiöser Tempel“ die Ausnahme?

Vermutlich. In keinem anderen Kloster gibt es so viele interreligiöse Belege und Belege für die Übernahme von Elemente verschiedener Kulturen. Ob aus Dominanz oder Toleranz, ist schwer zu sagen, vielleicht auch beides. Der Tempel scheint in dieser Hinsicht jedenfalls unter den erhaltenen Klöstern einzigartig zu sein. Nicht zufällig steht er seit 1998 auf der Vorschlagsliste für das Unesco-Welterbe. Es wäre wichtig, finanzielle Förderung zu bekommen, denn der Tempel – da in Indien stehend und nicht zerstört wie viele buddhistische Tempel in Tibet – droht zu verfallen.

Was bedeuten diese 1.000 Jahre alten Bilder für den heutigen interreligiösen Dialog?

Während meiner langjährigen Arbeit in der Akademie der Weltreligionen an der Uni haben mir KollegInnen aus anderen Religionen oft gesagt: „Für den interreligiösen Dialog müssen wir das Rad nicht neu erfinden.“ Es gab in allen Religionen Perioden des Dialogs. Daran kann man anknüpfen. Und wenn man sich auf dieses kulturelle Bewusstsein bezieht, braucht man nicht etwas Modernes, Westliches in diese Religionen hineinzubringen. Sondern man ermöglicht es Menschen der jeweiligen Tradition, in der das Interreligiöse in Vergessenheit geriet, auch diese eigenen Wurzeln wiederzuentdecken. Bilder wie diejenigen in Alchi können ein guter Anknüpfungspunkt sein.