Azubis in Kurzarbeit

Die Zahl der Ausbildungsplätze in Bremen ist unter Corona noch einmal stark gesunken. Dabei sah es auch vor der Krise schon düster aus

Laut Arbeitnehmerkammer wurden 2020 im Land Bremen 5.178 Ausbildungsverträge abgeschlossen – der niedrigste statistische Wert seit 1980. 4.788 der realisierten Ausbildungsplätze waren betrieblich, die übrigen 390 Plätze waren öffentlich finanziert. Gegenüber dem Vorjahr ist das insgesamt ein Minus von 600 Verträgen oder 10,4 Prozent.

Das Bundeskabinett hat vergangene Woche die Regelungen für das Programm „Ausbildungsplatzprämie“ erweitert. Der Kreis der Anspruchsberechtigten ist gewachsen: Geld gibt es nun auch für größere Betriebe mit bis zu 499 Mitarbeitern. Eine Prämie von 4.000 Euro winkt bei gehaltenem Niveau der Anzahl der Ausbildungsplätze. 6.000 Euro gibt es, wenn mehr Ausbildungsplätze angeboten werden als zuvor.

Von Mahé Crüsemann

Es sieht nicht gut aus auf Bremens Ausbildungsmarkt. 2020 hat die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge einen historischen Tiefstand erreicht: Laut Arbeitnehmerkammer kamen nur 5.178 Ausbildungsverträge zustande – der niedrigste Wert seit 1980. Gegenüber dem Vorjahr ist das insgesamt ein Minus von mehr als zehn Prozent.

Schuld ist aber nicht nur ­Corona – die Zahl der Ausbildungsplätze ist seit der weltweiten Wirtschaftskrise 2008 kontinuierlich zurückgegangen. Trotz guter Konjunktur, Beschäftigungsgewinnen und Fachkräftebedarf hat sie sich von der Krise nie erholt: Im Land Bremen ist seit 2008 jeder fünfte Ausbildungsplatz verloren gegangen.

Die Pandemie entschärft das Ganze nicht gerade: Nach der Statistik des Bundesinstituts für Berufsbildung kamen im Coronajahr 2020 im Land Bremen nur noch 68,6 Ausbildungsplätze auf 100 Ausbildungsinteressierte. Es sei so zu einer deutlichen Steigerung der Jugendarbeitslosigkeit gekommen. „Es gibt einfach mehr Jugendliche, die suchen, als Angebote da sind“, sagt Regine Geraedts, Referentin für Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik bei der Arbeitnehmerkammer Bremen. „Wer auf einem Markt antritt, der zusammenbricht, der hat es nicht leicht.“

Die Pandemie ist dabei noch im vollen Gange. „Das wird definitiv nachwirken“, sagt Gaeredts, „wir befürchten, dass es in diesem Jahr auf dem Ausbildungsmarkt mindestens so schwierig aussieht wie letztes Jahr – eher noch schwieriger.“

Auch denjenigen Azubis in Niedersachsen und Bremen, die bereits in ihrer Ausbildung steckten, als die Pandemie kam, haben die plötzlichen Veränderungen durch die Coronamaßnahmen große Schwierigkeiten bereitet.

Zwar beruhigt Oliver Brandt, Pressesprecher der Handwerkskammer Bremen, dass Auszubildende der Coronajahre nach ihrem Abschluss auf dem Arbeitsmarkt keine Nachteile zu erwarten hätten: „Die Prüfungen in Coronazeiten unterscheiden sich inhaltlich nicht von den Prüfungen der Vorjahre“, sagt Brandt. Die Handwerksbetriebe benötigten nach wie vor dringend Nachwuchskräfte, daran werde auch Corona nichts ändern.

Doch praktische Probleme der Ausbildungszeit sind mit dieser Hoffnung noch nicht gelöst: Einer Umfrage der Ver.di Jugend Niedersachsen-Bremen zur Ausbildungslage in der Pandemie zufolge gibt es große Schwierigkeiten bei der Durchführung von Prüfungen, bei Kurzarbeit oder Homeoffice während der Ausbildung. „In Zeiten von Unsicherheit und Veränderung in allen Lebensbereichen durch die Pandemie fallen Auszubildende mit ihren Bedürfnissen oft hinten runter“, heißt es in der Auswertung der Umfrage.

„Kurzarbeit zum Beispiel ist schwierig für Auszubildende“, erklärt Jonas Schmidt, Landesjugendsekretär der Ver.di Jugend Niedersachsen-Bremen. Eine Ausbildung funktioniere in Kurzarbeit nicht. „Ich sehe den Betriebsrat und den Arbeitgeber in der Pflicht, Azubis nicht in die Kurzarbeit zu schicken.“ Es müsse gewährleistet sein, dass die Ausbildung weitergehe – wenn das online nicht möglich sei, dann durch Angebote an Berufsschulen und in Betrieben.

Die missliche Lage auf Bremens Ausbildungsmarkt, verstärkt jetzt durch die Coronakrise, bleibt in der Politik nicht unbemerkt. „Als letztes Jahr die Anti-Corona-Maßnahmen absehbar waren, haben wir gemerkt, wir müssen handeln“, sagt Thorsten Kühn, Leiter der Verwaltungsbehörde des Europäischen Sozialfonds (ESF) im Land Bremen. Gemeinsam mit der Jugendberufsagentur, der Arbeitnehmerkammer und weiteren Akteuren setze man sich nun einmal im Monat zusammen und berate über die Situation im Land. In der Folge gibt es nun zumindest mehr außerbetriebliche Ausbildungsangebote vom Land. Ausgleichen kann das den Mangel an regulären Plätzen aber nicht.