Film über Eltern-Kinder-Beziehung: Kein Platz für drei
Regisseur Florian Schwarz hat mit „Für immer Eltern“ einen sehr eigenen Nesthocker-Film gedreht. Zu sehen ist er am Freitagabend auf Arte.
„Wir machen’s uns hier richtig schön!“, sagt er. „Ich glaub, das war die beste Entscheidung überhaupt!“, sagt sie. Anja (Anja Schneider) und Michael (Devid Striesow) haben sich einen Traum erfüllt. Keine Kuhglocken mehr und keine Blasmusik am Sonntag. Dafür Kino und Freunde um die Ecke. Und Sex auf dem Teppich. Die Kinder sind aus dem Haus und sie endlich in eine Stadtwohnung gezogen, in München. Herrlich. Aber kaum haben sie losgelegt mit dem Sex, auf dem Esstisch, nicht dem Teppich, da steht auch schon der indignierte Sohn (Max Schimmelpfennig, „Dark“) vor ihnen. Er ist gerade aus seiner WG geflogen.
„Hier ist kein Platz für drei!“
„Aber es ist doch nur für ein paar Tage, bis zu meiner Prüfung!“
Was wären sie für Eltern, wenn sie da Nein sagten?! Und er gibt sich doch redlich Mühe:
„Ich trag’ natürlich auch den Müll runter und so.“
„Ja, mach das. Da freut sich dein Vater.“
„Ich kann übrigens auch mal was kochen, vegetarisch.“
„Ja, da freut er sich weniger.“
Weniger freut er sich auch, als er sich seinen Kaffee plötzlich am Kiosk holen soll, damit Niklas in Ruhe lernen kann. Und dann wohnt bald auch noch Niklas’ Freundin Alina mit in der Wohnung, in der kein Platz für drei ist. So war das alles nicht geplant.
Fortysomething mit Skateboard
„Hotel Mama“ und „Nesthocker-Phänomen“ und „Generation Boomerang“ lauten die Schlagworte, die den Umstand beschreiben, dass junge Erwachsene nach dem Ende ihrer Adoleszenz weiterhin oder wieder im Haushalt ihrer Eltern leben. Der Spätauszug sei der Endpunkt einer verspäteten Ablösung, konstatieren die Experten und nennen mehrere Gründe: „Juvenalisierung des Erwachsenenalters“ lautet die Diagnose, wenn man wieder so einen Fortysomething mit seinem Skateboard auf der Straße sieht.
Von wegen „Generationenkonflikt“ – die Jugendlichen haben ein viel zu gutes Verhältnis zu solchen Eltern. Hinzu kommt die Sache mit der Gentrifizierung: Das Leben in den schönen Städten ist verdammt teuer geworden. Dem Gender-Pay-Gap zum Trotz sind Söhne signifikant anhänglicher als Töchter. Angebliche 26 Jahre soll ihr Durchschnittsalter inzwischen betragen, wenn sie aus dem „Hotel Mama“ auschecken.
Niklas ist also kein Einzel- und kein Sonderfall. Auch nicht in Film und Fernsehen. Das Phänomen ist ein ergiebiger Quell für Titel wie „Willkommen im Hotel Mama“ oder „Nesthocker – Familie zu verschenken“. Stets handelt es sich um lustige Komödien – die lustigste von allen war übrigens „Tanguy – Der Nesthocker“.
Und jetzt also: „Für immer Eltern“. Auf den ersten Blick, in den ersten Minuten, fügt sich der Film in den Reigen. Erweist sich Niklas als veritabler Schluffi, schon äußerlich, wenn er seine ausgeleierte kurze (!) Jogginghose nicht einmal ablegt, wenn er als Lehramtsreferendar seine Schüler unterrichtet. Bei denen er mit seiner Entschuldigung, Bus ausgefallen, nicht durchkommt, nachdem er, natürlich, zu spät gekommen ist. Wenn er sich ein Bad einlässt, läuft die Wanne über, weil er zwischenzeitlich eingepennt ist, natürlich.
Vordergründige Komik
Es hätte einen allerdings irritieren können, wenn man vorab zur Kenntnis genommen hätte, dass als Regisseur (Drehbuch: Peter Probst) Florian Schwarz verantwortlich zeichnet. Von ihm stammen die „Tatort“-Folge „Weil sie böse sind“ und das „Cyber-Grooming“-Drama „Das weiße Kaninchen“: zwei im deutschen Fernsehen exzeptionell düstere Werke. Von ihm hat man aber auch den postmodern-irren „Tatort“ (mit den meisten Toten) „Im Schmerz geboren“ gesehen – durchaus sehr komisch, aber bestimmt kein Schenkelklopfer.
„Für immer Eltern“, Freitag, 19. März, 20.15 Uhr, Arte
Und tatsächlich findet Florian Schwarz auch in „Für immer Eltern“ bald zu einer sehr eigenen Tonlage, in der sich vordergründige Komik und ernst gemeintes Drama nicht ausschließen. In der sich am Ende nicht alle Probleme in Wohlgefallen auflösen, das aber gleichwohl kein (Melo-)Drama ist oder eben doch ein existenzielles, nämlich: das Leben. Man kann es vor die Wand fahren, fürs Erste, aber man muss sich deshalb ja nicht gleich umbringen.
Allein die Einstellung mit dem Schlagzeug auf dem Berggipfel ist vielleicht doch ein bisschen dick aufgetragen, aber okay.
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