Das Schillern der Konkurrenz

Clubkultur und Fashion verbindet die Berliner DJ Peggy Gou. Und wird damit zum Alien in einer Szene, die, typisch Berlin, irgendwelche Klamotten in Schwarz für genügend hält. Ihr Erfolg weckte böse Fragen

So viel Glamour ist in der männerdominierten DJ-Welt eigentlich nicht vorgesehen: Peggy Gou Foto: Jungwook Mok

Von Andreas Hartmann

DJs, was machen die eigentlich gerade? Die paar Spitzenverdiener unter ihnen wahrscheinlich nichts Besonderes. Yoga, eine Ayurveda-Kur und was einen halt sonst so bei Laune hält, wenn man es in dieser Branche zu etwas gebracht hat. Der große Rest jobbt dagegen wohl eher bei Mc Donald’s, im Impfzentrum oder befindet sich in der Umschulung zu einem pandemieresilienteren Beruf.

Die Berliner DJ Peggy Gou, die eigentlich eher in die Kategorie derjenigen gehört, die finanziell nicht unbedingt auf Aushilfsjobs während der Krise angewiesen sind, demonstriert gerade, dass es letztendlich nie verkehrt sein kann, sich ein zweites Standbein neben der Auflegerei zuzulegen. In ihrem Fall wäre das die Profession als Fashion-Ikone. Und so modelt sie in der aktuellen Ausgabe der deutschen Vogue. Auf einem der bei dem Shooting entstandenen Fotos, die sie als leicht entrückte Schönheit mit melancholischem Blick zeigen, trägt sie Designerklamotten und dekorativen Nippes im Wert von fast 13.000 Euro. Au weia, da dürfte wieder was los sein in der undergroundigen House- und Technoszene.

Denn dass die aus Südkorea stammende DJ Clubkultur und Fashion in bislang nie gesehener Form miteinander verbindet, das finden nicht alle aufrechten Raver gut. Auch manche ihrer DJ-Kollegen nicht. Vor allem in Berlin, wo das Aus­gehen nach der reinen Lehre zu funktionieren hat – niedriger Eintrittspreis, hochwertiges Line-up, keine Prolls und kein Chichi –, begegnet man einer derart schillernden Figur wie Peggy Gou mit ihren zwei Mil­lionen Followern auf Instagram eher skeptisch.

Clubkultur hat hier eine ehrliche Sache zu sein, möglichst in der Tradition der goldenen Neunziger, als der Ruf Berlins begründet wurde, die authentischste Rave-Metropole überhaupt zu sein. In Städten wie Paris oder London und eigentlich überall auf der Welt mag man sich gerne schick machen, bevor man ausgeht. Hier dagegen kommt man overdressed erst gar nicht vorbei am Türsteher vor dem Laden seiner Wahl, und nicht von ungefähr ist der offizielle Dresscode im berlinmäßigsten aller Berliner Clubs, dem Berghain: irgendwelche Klamotten in Schwarz.

Die 29-jährige Peggy Gou wirkt in dieser Berliner Partywelt wie ein Alien. Nicht, weil sie seit ihrem Umzug vor acht Jahren etwa nicht zu dieser hätte gehören wollen. Nein, denn das wollte sie und war auch ein anerkannter Teil der Szene. Sondern weil sie sich in unerhörtem Maße von ihr emanzipiert hat. Sie ist nun ein globales Ereignis, ein DJ eigener Kategorie, der Berliner Szene entschwoben. Der Guardian nannte sie schon vor zwei Jahren „The world’s hippest DJ“ und man spricht von einer „Gou-Mania“, während sie hier kaum ein echter Raver kennt.

Ihre bisherige Karriere wirkt wie am Reißbrett entworfen. Sie stammt aus gutem Hause, ihr Vater ist Professor für Me­dienkunde. Sie zog irgendwann nach London, um dort Mode zu studieren. Sie wollte Designerin werden oder Fotografin oder Stylistin, erzählt sie in der aktuellen deutschen Vogue. Dann begann sie, sich vermehrt für Musik zu interessieren. So, wie sie wahrscheinlich nach Neapel gezogen wäre, hätte sie Pizzabäckerin werden wollen, landete sie in Berlin, dem globalen Zentrum der Clubmusik. Sie jobbte im bekanntesten Plattenladen der Stadt für elektronische Musik, im Hardwax, und ging ständig aus im Berghain, wo sie bald auch selbst auflegen durfte. Dann kam der rasante Aufstieg. Erste eigene Tracks wurden Hits, sie gründete ein eigenes Label, die Anzahl ihrer Follower in den sozialen Netzwerken nahmen rasant zu. Sie bekam nicht nur in Musik-, sondern auch in Fashionmagazinen Features und gründete ihr eigenes Modelabel. Der Hype um Popkultur aus Südkorea schadete ihrem Weg nach oben sicherlich auch nicht.

Und so wurde sie Peggy Gou, das Phänomen. Eine durchaus credible DJ, die auf gute elektronische Musik steht, auf Aphex Twin und Detroit-Techno und nicht auf dieser kommerziellen EDM, mit der normalerweise die Superstar-DJs mit den vielen Instagram-Followern in Las Vegas absahnen. Die gleichzeitig das auflegende Fashion-Girl mit Gucci-Tasche und einer Vorliebe für Louis Vuitton ist.

Das ist in der extremen Hybridform, wie sie Peggy Gou derzeit verkörpert, in der männerdominierten DJ-Welt eigentlich nicht vorgesehen. Kriegt die ihre Jobs nur, weil sie so gut aussieht? Und muss die wirklich als ­Model Werbung für alles und jeden machen? Das sind so die Fragen, die da schnell mal aufkommen.

Dass sich in der Szene Missgunst angestaut hat, zeigte der Berliner DJ-Krieg

Dass sich in der Szene tatsächlich gehörig etwas an Neid und Missgunst angestaut haben muss, zeigte dann der groteske Fall Daniel Wang vs. Peggy Gou, der die internationale DJ- und Partywelt kurz vor Weihnachten letzten Jahres wochenlang in Atem hielt. Gerne hätte man übrigens selbst mit Peggy Gou über diesen und alles mögliche andere auch selbst geredet. Doch von deren Management hieß es: Bis auf weiteres keine Presse. Zur Vogue konnte sie dann aber offensichtlich doch nicht Nein sagen.

Aber zurück zum Berliner DJ-Krieg letzten Dezember. Daniel Wang ist so der typische Berliner DJ alter Schule. Legt auf in den kleineren Clubs wie der Paloma-Bar oder dem About Blank. Macht auch ein bisschen was auf Instagram, aber nicht zu viel. Und plötzlich veröffentlichte er via Facebook einen ewig langen Text, einen einzigen Rant gegen Peggy Gou, der in seiner persönlichen und aggressiven Form schon ziemlich bemerkenswert war.

Er habe lange als direkter Nachbar von Peggy Gou gewohnt, schrieb er in dem inzwischen gelöschten Eintrag. Nun sei sie endlich ausgezogen, diese neben Donald Trump wahrscheinlich schlimmste Person der Welt. Wang lässt wirklich nichts aus, was man einer Figur wie Peggy Gou anhängen kann, wenn man sie wirklich hasst. Kann nichts als Produzentin und DJ, behandelt ihre Mitarbeiter wie Dreck, besitzt viel zu viele Schuhe. Und immer so weiter. Für sein Posting bekam Wang sehr viel Kritik. Inzwischen soll er sich, so Peggy Gous Management, bei seiner ehemaligen Nachbarin entschuldigt haben. Aber er bekam auch Zigtausende Likes und plötzlich berichteten alle mögliche Leute davon, dass sie auch einmal neben Peggy Gou in der Panoramabar gestanden haben und diese sich mal wieder unmöglich arrogant aufgeführt habe.

Wahrscheinlich liegen in der DJ-Szene, die wie kaum eine andere unter Corona zu leiden hat, einfach die Nerven blank. Wie wird es nach der Pandemie weitergehen? Auch wenn wieder getanzt werden darf in den Clubs: Es wird bis auf Weiteres sicherlich weniger Auflege-Jobs geben. Der Konkurrenzkampf wird zunehmen. Und die DJs, die es sich wie Wang schön als Residents in undergroundigen Clubs eingerichtet haben, sorgen sich, ob es diese Clubs bald überhaupt noch geben wird. Dabei wird es Zeit, dass sie wieder etwas anderes zu tun haben, als frustierte Face­book-Posts zu schreiben.