Scope – Galerie für zeitgenössische Fotografie
: Das Bild der Welt drehen

Daniela Comani, aus der Arbeit „Archive in Progress“, 2015/2020 Videoloop, 41 min Foto: Daniela Comani und VG Bild-Kunst Bonn,2021

Meine Güte, war die Merkel jung, als sie zum ersten Mal als Bundeskanzlerin vereidigt wurde. War das eigentlich die Zeit, als das Klonschaf Dolly Schlagzeilen machte? Und warum kommt jetzt Spiderman ins Bild? – Weil sich „Die Welt in Unordnung“ befindet? Wie eine Schlagzeile über der Fotografie des sehr ordentlich und sehr aufgeräumt in die Landschaft gestellten Atomkraftwerks Kahl am Main besagt?

Mit diesem Bild startet das „Archive in Progress“, das Daniela Comani zwischen 2015 und 2020 zusammengestellt hat. Die Bilder, die sie dafür zu einer rund 40-minütigen Videoarbeit montiert hat, stammen aus Zeitungen und Magazinen, teils handelt es sich auch um Fernsehbilder und Videostills aus dem Netz. Alle zwei Sekunden wechselt das Bild. Wir sehen Elfriede Jelinek, Woodstock, Nelson Mandela und Anne Frank, wir sehen einen Mercedes-Stern, wir sehen Bilder von Krieg und Verderben, von Naturkatastrophen wie Erdbeben oder dem Tsunami, der die thailändischen Strände heimsuchte. Wir sehen Stalin, das brennende World Trade Center, Lech Wałęsa und Windkrafträder.

Meist sind es nur die Bilder, die wir sehen, nur hin und wieder kommt eine Jahreszahl in den Blick oder die Bildunterschrift beziehungsweise die Schlagzeile über der Fotografie. Doch diese Information ist letztlich nicht zielführend. Die Ordnung des Archivs ist eine andere, Themenblöcke zeigen zum Beispiel Frei­heits­hel­d*in­nen aus allen Jahrhunderten, Ak­ti­vis­t*in­nen für Demokratie, für Bürger- und Frauenrechte, und sie zeigen dabei wiederkehrende Bildmuster, die das visuelle Stereotyp „Große Männer, die Geschichte schreiben“ bedienen.

Das Interessante an Comanis „Archive in Progress“ ist nun, dass sie genau dieses visuelle Stereotyp ausgiebig bedient, um es dabei zu unterlaufen und aufzubrechen, indem sie es weiblich besetzt. Während der 40 Minuten lebt man in einer Welt bedeutender und wichtiger Frauen: Elfriede Jelinek, Golda Meir, Susan Sontag, Serena Williams, Rosa Luxemburg, Anne Frank, Lady Diana, Oriana Fallaci und so weiter und so fort. Man ist verblüfft, wie einfach das Bild der Welt zu drehen ist und darüber, wie es offensichtlich jeden Tag doch nur immer auf den Blickpunkt „It’s a Man’s World“ hin besetzt wird. Brigitte Werneburg