Moment der Katharsis

Der frühere Clubboss Joan Laporta hat beim kriselnden FC Barcelona wieder das Sagen. Er gewann die Präsidentenwahl beim katalanischen Klub mit ziemlich großem Vorsprung

Aus Barcelona Florian Haupt

Gegen Ende einer langen Wahlnacht paraphrasierte Joan Laporta sogar John F. Kennedy. Mit seinem künftigen Kabinett stand er auf der Bühne des Festsaals neben dem Camp Nou, in dem er soeben zum neuen Präsidenten ausgerufen worden war. „Fragt nicht, was Barça für euch tun kann, fragt, was ihr für Barça tun könnt“, schloss er seine Siegesrede und gab gleich eine Empfehlung: „Das Größte, was man für Barça machen kann, ist, es mehr denn je zu lieben“.

Die Anspielung auf JFK war quasi Ehrensache, eine subtile Referenz an sich selbst und seine erste Amtszeit zwischen 2003 und 2010. Damals war er wegen seiner Aura des charismatischen Erneuerers anfangs tatsächlich zum „katalanischen Kennedy“ erklärt worden. Teilweise hat das auch gut geklappt, Laporta präsidierte die größte Epoche der Vereinsgeschichte, sah Lionel Messi erwachsen werden, bestellte Pep Guardiola zum Trainer, flockte die Unicef aufs Trikot und gewann das Sextett. Auf der anderen Seite mutierte Kennedy bisweilen zum Sonnenkönig und vertiefte damit Spaltungen zu anderen Alphatieren in der Führungsriege, die bald hart gegen ihn opponierten. Gewisse Fettnäpfchen werde er diesmal auslassen, erklärte Laporta in der Nacht. Welche? Da lachte er: „Ich erinnere mich lieber an die guten Sachen.“

Dank 54 Prozent der gut 50.000 abgegebenen Mitgliederstimmen distanzierte er den Radikalreformer Víctor Font (30 Prozent) und den Traditionalisten Toni Freixa (8,5) klar. Als spätabends die ersten Hochrechnungen des medial wie eine politische Wahl begleiteten Ereignisses eintrafen, knallten in Laportas Teamtrakt die Korken. Champagner floss, Fangesänge und immer wieder das Vereinslied wurden angestimmt. Nicht mal die Unterlegenen konnten sich der Euphorie der Nacht entziehen, sie umarmten Laporta und nahmen ihn in ihre Mitte. Keine Selbstverständlichkeit bei einem Klub, in dem man sich untereinander sonst gern mal mit Gerichtsprozessen bekriegt. Oder mit obskuren Verleumdungskampagnen in den sozialen Netzwerken wie der vorige Woche vorübergehend festgenommene Amtsvorgänger Josep Maria Bartomeu.

Der verpönte Ex schlich sich zu weniger frequentierter Stunde fast heimlich zu seinem Wahlstand im Camp Nou. Bereits am Mittag hatte dagegen Messi seine Stimme abgegeben. Das Foto von seiner Partizipation machte schnell die Runde, es nährt nicht nur Hoffnungen auf einen Verbleib des kürzlich noch so abwanderungsentschlossenen Superstars, sondern setzte auch den Ton für einen Feiertag der Sportdemokratie, der für die Barça-Gemeinde nach den jüngsten Demütigungen die Züge einer Katharsis annahm. Die Rückkehr des Funktionärstalents Laporta bedeutet eine Turbospritze Selbstbewusstsein, während beim Erzrivalen Real Madrid der ehemalige Amtsinhaber Ramón Calderón orakelt: „Er ist mein Freund, und sein Sieg ist eine gute Nachricht für Barça. Für die Gegner eher nicht.“

Die Erwartungen sind nicht eben gering. Einer wie Laporta hat damit kein Problem, andererseits weiß auch er, dass es sich angesichts von 1,2 Milliarden Euro Verbindlichkeiten um die „Herausforderung meines Lebens“ handelt. Er will sich dabei vom Geist des 2016 verstorbenen Klubidols Johan Cruyff leiten lassen, bei der Siegerpräsentation trug er zur Hommage an den Niederländer eine orangefarbene Gesichtsmaske mit der alten Rückennummer 14. „Johan inspiriert uns bei allen großen Entscheidungen“, sagte Laporta, der früher ja auch auf Basis der Ratschläge des Niederländers reüssierte.