: Ende der Party
Der FC Liverpool hat die Aura der Unbesiegbarkeit schon länger verloren. Nach dem 1:4 des englischen Meisters gegen Manchester City muss die eben noch gefeierte Truppe von Jürgen Klopp sogar um den Einzug in die Champions League bangen
Aus Manchester Hendrik Buchheister
Jürgen Klopp stemmte sich gegen die Niederlage, bis zum Schluss – nein, sogar darüber hinaus. Noch nach Abpfiff der Partie seines FC Liverpool gegen Manchester City, die mit einem demütigenden 1:4 aus Sicht des englischen Meisters zu Ende gegangen war, kämpfte der deutsche Trainer mit beachtlicher Energie.
Klopp legte sich mit verschiedenen TV-Reportern an („Ich denke, Sie müssen Ihren Job besser vorbereiten“, „Ich sehe in Ihren Augen, dass sie eine andere Meinung haben als ich“) und schwärmte von der Leistung seiner Mannschaft. „Ich habe ein richtig gutes Team in roten Trikots gesehen“, sagte er zum Beispiel. Oder: „Wenn wir öfter so spielen würden, hätten wir mehr Punkte.“ Klopp wollte sich nicht mit diesem 1:4 abfinden. Er machte vor allem die beiden Fehler seines Torhüters Alisson für die hohe Niederlage verantwortlich.
In der Tat verschuldete der brasilianische Schlussmann in der zweiten Halbzeit innerhalb von drei Minuten zwei Gegentore, das 1:2 durch den überragenden Ilkay Gündoğan (der schon das erste Tor des Tages erzielt hatte) und das 1:3 durch Raheem Sterling. Allerdings wäre es falsch, die Demontage alleine mit individuellen Fehlern zu erklären und sie als Ausrutscher hinzustellen. Klopp weiß ja selbst, dass seiner Mannschaft die Aura der Unbesiegbarkeit abhanden gekommen ist. Die Niederlage gegen Manchester City ist kein isolierter Betriebsunfall, sondern der nächste Nachweis dafür, dass der Meister radikal abbaut. Liverpool hat jetzt drei Heimspiele nacheinander verloren, das gab es zuletzt 1963. Aktuell hat die Mannschaft 27 Punkte weniger als zum gleichen Zeitpunkt der vergangenen Spielzeit. Einen solchen Absturz hat in England noch kein Meister erlebt.
„Die Titelverteidigung ist für die Reds nach dieser Horrorshow vorbei“, urteilte The Sun nach dem 1:4 von Anfield und formulierte damit, was allgemein Konsens ist. Als Tabellenvierter mit zehn Punkten Rückstand auf Spitzenreiter Manchester City geht es für Liverpool in dieser Saison nur noch darum, die Champions-League-Qualifikation zu schaffen. Das wird schwer genug, weil von hinten Thomas Tuchels FC Chelsea drängt. Nach Jahren im Rausch mit dem Gewinn der Königsklasse und dem ersehnten ersten Ligatitel seit 30 Jahren sieht es so aus, als wäre die Party erst mal vorbei.
Als Erklärung dafür kommt man natürlich nicht am Verletzungspech des Meisters vorbei. Die komplette Innenverteidigung um Liverpools wichtigsten Spieler Virgil Van Dijk fällt aus. Seit Wochen müssen die Mittelfeldspieler Jordan Henderson und Fabinho in der Abwehr aushelfen. Dadurch verschiebt sich die Statik im Spiel von Klopps Mannschaft.
Das erklärt allerdings nicht, warum die einst so furiose Offensive vor allem in den Heimspielen kraftlos wirkt. Bei der 0:1-Niederlage vor knapp einer Woche gegen Brighton & Hove Albion brachte Liverpool nur einen Schuss auf das gegnerische Tor, gegen Manchester City hatte Klopps Mannschaft außer dem zwischenzeitlichen Ausgleich durch Mohamed Salah per Elfmeter nach einer guten Stunde keine wirklich zwingenden Chancen.
Es wirkt, als hätte die Mannschaft ihre Mission erfüllt mit der Vertreibung des 30 Jahre dauernden Meisterfluchs. Für neue Heldentaten scheint ihr die Energie zu fehlen. Das Team spielt im Kern seit drei Jahren zusammen und wurde in dieser Zeit kaum verändert oder aufgefrischt. Das 1:4 hat mehr denn je deutlich gemacht, dass Liverpool einen Umbruch braucht. Klopp ist gefordert, eine neue, große Mannschaft zu formen.
Wie das geht, das zeigt gerade Pep Guardiola bei Manchester City. Nach der demütigenden Vorsaison mit 18 Punkten Rückstand auf Liverpool hat er sein Team neu erfunden, mit einer starken Defensive, dem überragenden Ilkay Gündoğan als Spielmacher und ohne echte Spitze. Der Lohn dafür, darauf deutet seit Sonntag alles hin, dürfte Guardiolas dritte Meisterschaft in England sein.
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