: „Auch Verblühtes kann sehr schön sein!“
Eine auch in Coronazeiten zugängliche Freiluftausstellung im Berggarten Hannover zeigt Garten- und Pflanzenfotos, die 2019 beim Wettbewerb „International Garden Photographer of the Year“ erste Preise gewannen
Von Joachim Göres
Morgens gegen halb acht Uhr drückte Lars Gerhardts auf den Auslöser seiner Kamera. Die ersten Sonnenstrahlen fielen durch die Bäume des Georgengartens Hannover, der Nebel auf einem kleinen See lichtete sich und gab den Blick auf drei ihre Runden ziehende Enten frei, über eine Brücke im Hintergrund spazierte eine Person mit ihrem Hund.
Eine stimmungsvolle Morgendämmerung an einem kalten Novembertag hat der nebenberufliche Fotograf aus Göttingen im Bild festgehalten, für das er beim internationalen Gartenfotowettbewerb IGPOTY (International Garden Photographer of the Year) mit dem ersten Preis in der Kategorie „Die Schönheit der Herrenhäuser Gärten“ belohnt wurde.
Die Gewinneraufnahmen aus dem Jahr 2019 für die weltweit besten Garten-, Pflanzen-, Blumen- und Botanikfotos sind derzeit in Hannover im Berggarten in einer Freiluftausstellung zu sehen. Sie ist auch in Coronazeiten zugänglich. Mehr als 60 großformatige Fotos aus allen Teilen der Welt werden dort präsentiert, die von einer internationalen Jury unter Leitung des Königlichen Botanischen Gartens Kew in London ausgewählt wurden.
Ulrike Adam etwa wurde für ein Foto aus dem Wettbewerb „Die Schönheit der Pflanzen“ ausgezeichnet. Es zeigt in Großaufnahme verblühte weiß-gelbe Blüten des Zierlauchs in einem Meer von blauen Blüten der Katzenminze aus dem Botanischen Garten Bremen. „Auch Verblühtes ist schön!“, betont Adam, die als Heilerziehungspflegerin arbeitet. Das Fotografieren ist für sie mehr als ein Hobby. Sie beliefert Bildagenturen und stellt selbst Kalender mit Blumenmotiven her.
„Außerdem ist die Zeit in der Natur für mich ein Ausgleich zum anstrengenden Hauptberuf“, sagt Adam. Sie ist nach Möglichkeit früh am Morgen mit der Kamera unterwegs, um mit den ersten Sonnenstrahlen die richtige Stimmung einzufangen.
Vor drei Jahren hat sie mit der Aufnahme eines Magnolienbaums im Sonnenaufgang im Wettbewerb „Europäisches Gartenfoto“ den ersten Preis gewonnen, der mit 1.000 Euro dotiert ist. „Das war schon gut. Dadurch bin ich bekannter geworden und verkaufe mehr Kalender“, sagt Adam, die viele ihrer Motive direkt vor der Haustür findet – im eigenen Garten in Osterholz-Scharmbeck.
Auch Lizzy Petereit aus Ganderkesee hat ihr Motiv im heimischen Garten gefunden – mit einer Nahaufnahme einer lila-weißen Anemonenblüte errang sie den begehrten ersten Preis in der Kategorie „Macro Art“. „Sie ändern ihre Form und Struktur ständig“, sagt die Fotografin, die als Titel „Panta Rhei“ (griechisch für „Alles fließt“) wählte.
In der Hannoverschen Ausstellung findet sich auch das mit einem dritten Preis prämierte Foto „Schneesturm im Mai“ aus dem Höhenpark Killesberg in Stuttgart. Es stammt von Martin Staffler, der eine Wiese mit einem großen weißen Kerbelfeld vor dem Hintergrund von weißen Blüten an Taschentuchbäumen im Bild festgehalten hat. Er hat bereits mehrfach erfolgreich an dem Wettbewerb teilgenommen. „Das ist eine schöne Anerkennung für das eigene Schaffen“, betont der gelernte Landschaftsgärtner und studierte Landschaftsarchitekt.
Staffler ist Autor mehrerer Gartenbücher und hat sowohl als Redakteur als auch freiberuflich für Gartenzeitschriften gearbeitet. „Gartenfotos werden immer wichtiger, denn sie sind der Türöffner, damit die Zeitschrift gekauft wird“, sagt Staffler und fügt hinzu: „Klassische Gartenpflanzen wie Rosen, Lavendel und Rittersporn standen früher auf den Fotos im Vordergrund. Inzwischen geht es mehr in Richtung ökologischer Garten mit Ziergräsern, Stauden und Blumenzwiebel-Kombinationen. Außerdem spielt auf den Aufnahmen die Dekoration mit Brunnen, Terrassen und Pool eine immer wichtigere Rolle.“
Eine entscheidende Rolle für eine gute Aufnahme spielt der richtige Zeitpunkt. „Mit Blitz kann man nicht viel erreichen. Man muss zum richtigen Licht vor Ort sein. Wenn die Sonne morgens nicht rauskommt und es trübe bleibt, kann man auch mal vergeblich unterwegs sein“, sagt Staffler.
Zu viel Licht sei aber auch nicht gut. Seine Tipps für fotobegeisterte Gartenliebhaber: „Man sollte nie bei strahlendem Sonnenschein im Garten fotografieren, sonst fehlen die Kontraste. Manche Pflanzen gehen erst tagsüber auf, dann ist die Zeit vor Sonnenuntergang günstig. Man kann Bildern eine besondere Tiefe verleihen, indem man im Vordergrund zum Beispiel eine Kübelpflanze platziert.“
Die Herrenhäuser Gärten waren 2019 erstmals als eigene Kategorie mit einem Spezialpreis in den Wettbewerb aufgenommen worden, als einziger öffentlicher Garten aus Deutschland. Die Gartenleitung freute sich über 400 Einsendungen von Hobby- und Profifotografen, die aus nah und fern den Weg in die Herrenhäuser Gärten auf der Suche nach dem richtigen Motiv fanden. Insgesamt werden IGPOTY-Preise in 20 Kategorien vergeben, zum Beispiel in den Kategorien „Wildblumen-Landschaften“, „Wildlebende Tiere im Garten“ und „Schöne Gärten“. Idylle pur sozusagen.
Um die Realität des Klimawandels und die Folgen für die Natur dabei nicht aus dem Blick zu verlieren, wurde die neue Kategorie „Pflanzen und Planet“ eingeführt. Das Gewinnerbild des Italieners Albert Ceolan zeigt eine zerstörte Baumlandschaft in Südtirol. 14 Millionen Bäume wurden 2018 vom Sturm „Vaia“ gefällt – man sieht einige windschiefe Kiefern, die sich aufrecht gehalten haben in einem Meer von auf dem Boden liegenden Holzstämmen. Damit gewann er auch den IGPOTY-Gesamtpreis.
Bis 30. 4. im Subtropenhof des Berggartens Hannover, täglich 9–17.30 Uhr. Die Aufnahmen finden sich auch auf www.igpoty.com
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