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berliner szenenMan merkt, das Pub­likum fehlt

Das West Germany ist gerammelt voll. Eine Schlange am Einlass, eine an der Theke, wo Sara mit den Wodka Tonics nicht nachkommt. Fitz legt Shoegaze auf, Lush und Slowdive, die Luft steht, die Bühne geht im Zigarettenrauch unter, Kondenswasser tropft von den lustvoll aufgerissenen Wänden und Decken und vermischt sich mit dem Dreck auf den Bodenfliesen zu einer sturzgefährlichen Mischung. Locust Fudge spielen die alten Songs – Erinnerungen, Töne und Bilder aus einer versunkenen Welt.

Jetzt sitzt Schneider, der Neil Young aus Bielefeld, auf einem Hocker in Vaus Plattenladen und singt zur Akustikgitarre und Mundharmonika „Reality Check“ von seinem zweiten Soloalbum von 2002. Kein Qualm, kein Lärm, kein Menschenauflauf, nur das Pawnshop-Ambiente von Vaus Laden aus Schaufensterpuppen, Bandpostern, Büchern, Nippes. Wir stehen mit dem Bier in der Hand vor dem Bildschirm und wippen mit, etwas ungläubig noch.

Das Livestreaming auf Twitch funktioniert super, der Sound ist besser als erwartet, aber ungewohnt ist es trotzdem. Auch für Schneider, der eher verhalten wirkt, fast schüchtern. Man merkt, dass ihm das Publikum fehlt. Nach dem Konzert liefern sich Vau und Kurt Dahlke ein DJ-Battle: Catharina Valente vs. The Cure. Dazu laufen die Echtzeitkommentare der Freunde am Bildschirmrand mit. Die Kamera ist, abgesehen von kurzen Schwenks, auf den nun entspannt rauchenden Schneider am Tresen gerichtet, auf dem eine Lavalampe und ein Plexiglasständer mit dem jeweiligen Plattencover zur Ansicht steht. Ab und zu arrangiert jemand die Deko neu, stellt eine Muppetsfigur dazu oder einen Diaprojektor, dann ragt das Cover eines Romans von Thomas Harris ins Bild, eine Hand platziert einen kleinen grünen Dinosaurier davor, kein Mensch weiß, wieso eigentlich.

Sascha Josuweit

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