Andreas Speit Der rechte Rand: Warum manche glauben, über dem Gesetz zu stehen
Am 16. April, dem 150. Jahrestag der Verabschiedung der Reichsverfassung, soll die Silbermedaille ausgeliefert werden. Bestellen konnte man sie beim „Vaterländischen Hilfsdienst“ (VHD). Der Erwerb sei nicht nur eine „steigende Wertanlage“, sondern auch ein „Beitrag zur Reorganisation und Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit des Deutschen Reiches nach 102 Jahren Fremdbestimmung der Deutschen“, heißt es auf der Website des VHD, die seit Kurzem online ist.
Im Kaufangebot wird gleich die politische Ausrichtung deutlich: Ein deutsches Reich, einen ewigen Bund mit dem Kaiser will der VHD wieder schließen. Im vergangenen Jahr begann der Aufbau dieses Reichsbürger-Netzwerks in mehreren Bundesländern. Den Organisationskern um „Generaldirektor Sascha“ bilden 25 Personen. Die Anhängerschaft soll jedoch mehrere hundert Menschen umfassen.
Auf der Webseite gibt der VHD kein Impressum an. Aus seiner Sicht ist das logisch, für ihn gelte schließlich das „deutsche Recht“, nicht die Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepublik. Dafür listet der VHD im Norden zwei „Armeekorpsbezirke“ (AK-Bezirke) im historischen Hannover und im historischen Altona auf. Armeekorpsbezirke? Ja, denn nach Sicht der Reichsbürger*innen sei mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges das Deutsche Reich von Kaiser Wilhelm II. in einen „Belagerungszustand“ übergegangen. Auf der Landkarte der 24 Armeekorpsbezirke aus dem auf der Website abgebildeten „Handbuch der Verbände und Truppen des deutschen Heeres 1914–1918“ ist das Reich im Osten auch gleich größer.
Am 10. November kam der AK-Bezirk aus „der Provinz Hannover und dem Herzogtum Braunschweig“ mit rund 30 Männern und Frauen zu einem Treffen zusammen. In Friedrichsruhe, einem Ortsteil der Gemeinde Aumühle, richtete der AK-Bezirk Altona am 25. Juli ebenfalls ein Treffen aus. Dort pilgert die rechte Szene wegen des Bismarck-Mausoleums gern hin. Der VHD verehrt den ehemaligen Reichskanzler, eine seiner Unterorganisationen heißt „Bismarcks Erben“.
Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.
Der AK-Bezirk Altona scheint bisher ein kleiner Kreis zu sein: Auf einem Foto sind siebzehn Männer und Frauen zu sehen. Für Reichsbewegte etwas unüblich ist die verhältnismäßig hohe Quote von sieben Frauen. Mund-Nase-Masken tragen die Reichsbürger*innen auf den Bildern nicht, auch diese Pflicht dürfte ja nach ihrem Verständnis nicht gelten. Informationen über inhaltliche Themen, die bei den Treffen verhandelt wurden, sucht man vergeblich. Auch die nächsten Termine geben sie nicht bekannt,„aus Gründen der Sicherheit“. Dafür werben sie allerdings offen für eine Mitgliedschaft: „Die Deutschen kommen zu sich. Komm einfach mit!“, steht auf der Startseite.
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