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Als die Gespenster nach Hattingen kamenRückkehr der Arbeitsgeister

In der Kölner Akademie der Künste ist eine Ausstellung zu den Gespensterprotesten an der Ruhr zu sehen. Mit dabei ist Liedermacherin Fasia Jansen.

Installationsansicht in der Kölner Akademie der Künste der Welt Foto: Mareike Tocha/adkdw

Im Jahr 1987 wurde die Stadt Hattingen im Ruhrgebiet von Geistern heimgesucht. Um das Stahlwerk Henrichshütte zu erhalten, tobte gerade der größte Arbeitskampf in der Geschichte der Stadt, und als kreative Intervention zog die neu gegründete Fraueninitiative des Werks in Gespensterkostümen durch die Straßen, um zu warnen.

Ohne Arbeit wird Hattingen zur Geisterstadt. 33 Jahre später ist diese Befürchtung zwar nicht wahr geworden, aber der Geisterprotest wird wiederentdeckt. Die Akademie der Künste der Welt in Köln widmet ihm einen Teil seiner sich wie die Arbeitswelt ständig wandelnden Ausstellung „Geister, Spuren, Echos – Arbeiten in Schichten“.

Im Ausstellungsraum hängt ein Foto von damals: Die Frauen in weißen Gewändern mit weißen Transparenten und weiß bemalten Gesichtern zwischen den schwarz-weißen Fachwerkhäusern der Hattinger Altstadt. Daneben das Zitat einer Aktivistin: „Die Frage war für uns: Was wird aus der Stadt? Zur Stadt gehören wir alle. Ob die Arbeiter auf der Hütte oder der Metzger bei uns nebenan oder die Kindertagesstätte oder die Schule oder Sonstiges. Die Angst war ja einfach, dass Leute auch abwandern. Und auch die Angst davor, dass wir uns verlieren.“

Im ersten Moment überrascht es, Bilder dieses lokalen Ruhrgebietsereignisses in der rheinländischen Metropole Köln zu entdecken. Aber die künstlerische Leiterin der Akademie der Künste der Welt, Madhusree Dutta, ist interessiert an den transformativen Prozessen der Arbeitswelt, die man im Ruhrgebiet wie unter einem Brennglas betrachten kann.

Info

Bis 25. April, Akademie der Künste der Welt, Köln, www.adkdw.org

Eva Busch, mit der sie die Schau kuratiert hat, lebt zudem im Ruhrgebiet – und beide eint das Interesse an feministischen Perspektiven. Im Hattinger Arbeiterinnenprotest kommen beide Themen zusammen: Die prekären Verhältnisse der (Industrie-)Arbeitswelt, die eine ganze Stadt verändern können, und die Selbstermächtigung von Frauen.

„Der Anteil der weiblichen Beschäftigten in der Henrichshütte lag wahrscheinlich bei unter zehn Prozent“, sagt Vera Walin, die selbst Kranfahrerin war. „Wir waren Verwaltungskräfte, Laborantinnen, technische Zeichnerinnen. Aber nach einem ersten Aufruf der IG Metall haben sich uns auch Ehefrauen der Stahlarbeiter, Bäckerinnen, Lehrerinnen, Frauen aus allen Schichten der Stadtgesellschaft angeschlossen.“

Bis heute politisch aktive, mündige Bürgerinnen

Auch wenn der Protest das Werk nicht retten konnte, hat er neben positiven Abwicklungseffekten wie einem ordentlichen Sozialplan auch mündige Bürgerinnen hervorgebracht, die bis heute politisch aktiv sind. Rita Sieberg, die damals auch dabei war, sagt, dass sie bis heute an das Motto glaubt, das Bertolt Brecht zugeschrieben wird: „Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren.“

Die Kuratorinnen haben zur Ausstellung eine Zeitlinie im Posterformat erstellt: Sie zeigt Fraueninitiativen im Ruhrgebiet von 1910 bis heute. Gleich neben den Geisterprotesten der Hattinger Henrichshütte steht da etwa die Fraueninitiative aus Duisburg-Rheinhausen, die sich organisatorische Tipps von den Hattingerinnen holte und unter anderem Autobahnzufahrten und Brücken besetzte.

Die queere Aktivistin Kathrin Ebmeier, die gemeinsam mit der Historikerin Alicia Gorny die Geschichten der Aktivistinnen von damals gesammelt hat, sagt: „Wenn ich so ein Plakat als Schülerin in meinem Klassenzimmer gehabt hätte, hätte das eine ganze Menge verändert.“

Die erste Schicht der Schau

Einem besonderen Konzept folgend ist die Recherche zu den Hattinger Geisterprotesten allerdings nur die erste Schicht einer Schau, die sich selbst fortwährend transformiert und insgesamt drei Rechercheprojekte zeigt. Die zweite, im Dezember (wegen Corona natürlich ohne Publikumsverkehr) enthüllte, heißt „Spuren“ und ist ein Projekt der Literaturwissenschaftlerin Nesrin Tanç, die ein Haus zusammengestellt hat, das es nicht gibt.

Ein Archiv, in dem die Erfahrungen von türkisch-, kurdisch-, armenisch- oder griechischsprachigen Schrift­stel­le­r*in­nen hätte gesammelt werden können, die in Köln und dem Ruhrgebiet tätig waren und deren Erinnerungen sehr wertvoll sind für die postmigrantische Gegenwart der Region.

Die prekären Verhältnisse der (Industrie-)Arbeitswelt und die Selbstermächtigung von Frauen

Die dritte Schicht der Ausstellung, „Echos“, die sich im Januar offenbaren wird, deutet sich in der ersten Schicht der Frauen-Geisterproteste schon an: Wenn nämlich in den 1980er Jahren irgendwo im Ruhrgebiet (oder auch anderswo in Deutschland) eine große Protestaktion stattfand – von der Friedensbewegung, feministischen Initiativen oder Ar­bei­te­r*in­nen – dann war es ziemlich wahrscheinlich, dass die Liedermacherin und Aktivistin Fasia Jansen an vorderster Front dabei war. Dass sie die Hattingerinnen unterstützt hat, ist verbürgt.

Schillerende Persönlichkeit von mitreißender Präsenz

Die 1929 in Hamburg als uneheliche Tochter des liberianischen Generalkonsuls Momulu Massaquoi und des deutschen Zimmermädchens Elli Jansen geborene Sängerin war eine schillernde Persönlichkeit mit einer mitreißenden Präsenz – und ihr Wirken und Nachwirken wird im Ruhrgebiet, das sie irgendwann zur Wahlheimat erkor, gerade wiederentdeckt.

In Oberhausen, Fasia Jansens Wohnort seit den 1960er Jahren, existiert zwar das Fasia-Jansen-Archiv, das von ehemaligen Weggefährtinnen gerade geordnet und dem Stadtarchiv übergeben wird. Aber jungen Künstlerinnen fehlt beim bisherigen Andenken eine Perspektive: „Zu sehen, wie wenig Raum Fasia Jansens Positionalität als Schwarzer Frau gegeben wurde, ruft Widerwillen in mir hervor“, sagt die Künstlerin Aline Benecke.

Ihr Beitrag zur Schau ist deshalb eine filmische Dokumentation über das von ihr neu gegründete Fasia Jansen Ensemble, einen mehrheitlich Schwarz positionierten Chor, der ihre Lieder singt. Aber nicht nur die neue Aufführung der Lieder, auch Fasias Kampf gegen Kapital, Ausbeutung und Faschismus, afrofuturistische Referenzen, spirituelle Verlebendigung, Black Joy und diasporische Fotografietraditionen spielen in dem Film eine Rolle.

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