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Zum Beispiel Singen statt Shoppen

Auch das Theater an der Parkaue arbeitet weiter, zeigt ziemlich lustige Stücke im Stream und setzt auf Kommunikation mit Schülern und Lehrern unter anderem bei einem Community-Dinner, digital

King of Slapstick, Denis Pöpping in „Pythonparfüm und Pralinen aus Pirgendwo“ Foto: Christian Brachwitz

Von Katja Kollmann

„Don’t worry, be happy“. Renate W. summt vergnügt mit. Ich sehe die ältere Dame, viele Familien und die Bühne 2 des Theaters an der Parkaue im Zoom. Im Theater in Lichtenberg rocken MitarbeiterInnen des Hauses weihnachtlich. Wen ich aber höre, ist Renate W.. Sie hat sich lautstärkenmäßig im Zoom durchgesetzt. „Singen statt Shoppen“ heißt das Advents-Wunschkonzert. Liederwünsche aus dem Parkaue-Liederbuch werden in den Chat gestellt und augenblicklich erfüllt. Als Renate W.s Mikrofon auf stumm geschaltet ist, höre ich den Parkaue-Sound. Klingt irgendwie nach Country. Sogar „Leise rieselt der Schnee“. Muss wohl an den beiden Gitarren liegen …

Ende November war ich einer Pressevorführung von „Phyton­parfum und Pralinen aus Pirgendwo“. Eine Premiere gab es nicht, pandemiebedingt. Es war die Uraufführung eines Stückes, in dem nur ein Satz fällt: „Ich gehe jetzt.“ Die Versuchsanordnung des „Familienstücks für Menschen ab 5“ ist einfach: Menschen treffen in einer Hotellobby aufeinander. Das Bühnenbild (Martina Lebert) mit der zentralen Schwingtür erinnert an Anna Viebrock, die groteske Figurenzeichnung an Herbert Fritsch. Auch bei Gregory ­Caers ist Slapstick ein entlarvendes Element.

Nacheinander entern acht SchauspielerInnen die Hotellobby, ihre Figuren wirken wie ferngesteuert. Sie reagieren auf Musik, sie reagieren aufeinander, aber sie handeln nie. Nur zwei Mal – und das endet jedes Mal in einer Katastrophe. Als Denis Pöpping beschließt „Ich gehe jetzt“ und die Schwingtür öffnet, fegt ein apokalyptischer Sturm durch die Lobby. Der Entschluss, wegzufliegen – oder wenigstens so zu tun, wiederum endet in einer Bruchlandung. Die schönste und zugleich auch die surrealste Szene ist die „Unterwasserszene“. Die Lichtregie ist mystisch, der Ton (Tanja Pannier) verzaubernd. Der Page schenkt und schenkt Sekt ein, es gluckert ohne Ende, und die Hotellobby mutiert mehr und mehr zu einem menschlichen Aquarium. Auch im Stream, der ab 20. 12. auf der Webseite des Theaters gezeigt wird, behält diese Szene ihre Intensität. Denis Pöpping mit seinem Gespür für das Komische sticht aus dem Ensemble heraus. Herrlich, wie er sich im Sessel als Queen wähnt und gnädig winkt.

Mitte Oktober habe ich die reguläre Vorstellung von „Der Dominoeffekt oder die unsichtbaren Fäden der Natur“ erlebt, ein Theaterparcours nach dem Sachbuch von Gianumberto Accinelli, inszeniert von Thomas Fiedler. Ich lernte das Theater bis zu den Lagerräumen kennen und staunte. Denn hier wurde erklärt und aufgeklärt in wunderbar praktischen und gleichzeitig fantasievollen Installationen, eingebettet in einen Klangteppich, der den Theaterraum total vergessen ließ. So stand Andrej von Sallwitz im Tropenanzug da – irgendwie ist es sofort schwül – und erzählte von der Erfindung des Insektenvernichtungsmittels DDT und der Kettenreaktion, die das in der Natur in Südostasien auslöste. Am Schluss bewegte sich ein riesiger Kunst-Mist-Ball, nachdem man von der Wichtigkeit gewisser Mistkäfer in Australien erfahren hat, vom Zuschauerraum auf die Bühne zu und löst eine spannende, aber auch nachdenklich machende Kettenreaktion aus.

Die Hotellobby mutiert mehr und mehr zu einem Aquarium

„Der Domino-Effekt“ liegt momentan auf Eis, aber zwei „Klassenzimmerstücke“ hat das Theater an der Parkaue inzwischen in den digitalen Raum übertragen, damit kulturelle Teilhabe für Schulklassen weiterhin möglich ist. Eines davon ist „Wutschweiger“ von Jan Sobrie und Raven Hill – für Kinder von 8 bis 12. Es hatte am 8. 10. auf der Bühne 3 des Theaters Premiere, da das Theater mit dem Zweipersonenstück nicht mehr in die Schulen gehen konnte. Inzwischen wird es als Zoom-Format angeboten.

Wutschweiger und Stillschmetterling, zwei Kinder aus sozial benachteiligten Familien, können an einer Klassenfahrt nicht teilnehmen, schließen Freundschaft, legen ihre Sicht der Dinge dar und beschließen, aus Trotz zu schweigen.

Über den LehrerInnenbeirat ist das Theater auch während der Pandemie mit den Schulen in regelmäßigem Kontakt. Für alle gibt es die Bühne 2 als Ort der Begegnung. Sie ist seit September „Community“-Bühne. So findet das Community-Dinner dort statt, im Dezember eben digital. Und am 20. 12. wird nochmal gesungen: „Singen statt Shoppen“. Renate W. ist bestimmt mit dabei.

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