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Das Abi hat die Seuche

Der Zentralelternbeirat kritisiert, dass es noch immer keinen „Corona-Plan“ für die kommenden Schulabschlüsse gibt. In knapp vier Monaten stehen die Abiturprüfungen an

Von Simone Schnase

Einen „Masterplan“ für die diesjährigen Schulabschlüsse fordert der Zentralelternbeirat (ZEB) knapp vier Monate vor den anstehenden Abiturprüfungen. Obwohl der Schulbetrieb nun schon seit zehn Monaten bestimmt sei von corona­bedingten Einschränkungen bis hin zur aufgehobenen Schulpflicht, die aktuell bis mindestens Ende Januar gilt, gebe es noch immer keine verbindliche Strategie, um die SchülerInnen bestmöglich auf die Prüfungen vorzubereiten.

Der Elternbeirat habe schon vor den Sommerferien darauf hingewiesen, „dass nicht die Abschlüsse 2020 das große Problem sein werden, sondern die des Jahres 2021, und wenn es schief läuft, auch die danach. Leider wurden wir nicht gehört“, heißt es in einer Mitteilung des ZEB.

„In Bremen sind wir technisch gut aufgestellt, aber nicht organisatorisch“, sagt ZEB-Vorstandssprecher Michael Skibbe. „Ein Schulhalbjahr ist vergangen, in dem man sich darüber hätte Gedanken machen können: Wie gehe ich mit Abschlüssen in Zeiten der Pandemie um?“ Geschehen sei allerdings nichts, „und jetzt ist die letzte Chance“. Damit meint Skibbe freilich nicht nur Bremen: „Thüringen und Niedersachsen wollen zum Beispiel Stoff aus dem Abi rausnehmen, aber mehr ist mir nicht bekannt und bundeseinheitliche Pläne gibt es nicht.“ Die aber müssten dringend her.

Skibbe hat kein Verständnis dafür, dass LehrerInnen, SchülerInnen und Eltern noch immer nicht wissen, was in den nächsten Monaten auf sie zukommen wird: „Wir haben in den letzten zehn Monaten vieles eingeübt. Wir werden jetzt nicht mehr kalt erwischt – deswegen kann man auch planen.“ Das sei schließlich auch an anderen Stellen sichtbar: „Flächendeckende Corona­tests für Schüler und Lehrer sind organisiert – aber nicht die Abschlüsse.“

Die Mittel, Wege und Erfahrungen, die jetzt zur Verfügung stünden, könnten genutzt werden, um beispielsweise Prüfungen später zu schreiben oder zusätzliche Lehrangebote zu schaffen. „Es gibt Lehrer, die zu Hause bleiben, weil sie Risikopatienten sind. Die könnten beispielsweise ein Online-Curriculum für die Abiturienten erarbeiten.“ Man könne sich auf die wesentlichen Inhalte des Lehrplans konzen­trieren und anderen Schulstoff zurückstellen. Damit genügend Zeit zum Lernen bleibt, könnten Vor- und Nachmittagsunterricht angeboten sowie die Prüfungstermine nach hinten verschoben werden. „Da müssen kreative Lösungen her“, sagt Skibbe.

Nicht richtig sei, dass der ZEB fordere, die Schulferien oder einen Teil davon zugunsten der Prüfungsvorbereitungen zu streichen – so hatte es der Weser-Kurier geschrieben: „Aber es ist doch kein Problem, sich in der ersten oder zweiten Ferienwoche sein Zeugnis abzuholen“, sagt Skibbe. Und schließlich seien die Ideen des ZEB vor allem Denkanstöße und die Aufforderung an die Bildungsbehörde, endlich ein Konzept zu entwickeln: „Das ist ihre Aufgabe und das sind wir den Schülern und Eltern schuldig.“

Gut gelöst worden sei, wenngleich laut Skibbe freilich aufgrund des Drucks von Seiten des ZEB, das Problem mit dem Übergang von der vierten Klasse zu den weiterführenden Schulen: „Das Halbjahreszeugnis in der vierten Klasse ist ja relevant für jene, deren Kinder aufs Gymnasium oder in eine ganz bestimmte Schule sollen. Hier wollte die Behörde eine Erhebung machen, um herauszubekommen, welche Lücken aufgrund der Pandemie entstanden sind, damit die dann bei der Kreuzchenvergabe auf den Zeugnissen berücksichtigt werden.“ Das habe die Eltern sehr beruhigt. Das Ergebnis sei allerdings noch nicht bekannt – obwohl es in diesem Monat Zeugnisse gibt.

„Flächendeckende Coronatests für Schüler sind organisiert, aber nicht die Abschlüsse“

Michael Skibbe, ZEB-Vorstandssprecher

Kein Wunder, denn es gibt gar kein Ergebnis: Auf Nachfrage sagt Annette Kemp, Sprecherin von Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD), eine solche Erhebung sei für die vierte Klasse nie geplant gewesen, sondern lediglich für die Abschlussklassen – eine Aussage, die Skibbe „höchst irritierend“ findet.

Was die Abschlussprüfungen angehe, sagt Kemp, stimme die Senatorin mit dem ZEB darin überein, dass es aufgrund des bestehenden Zentralabiturs wichtig sei, an einer gemeinsamen Lösung zu arbeiten. „Dies wird im Januar im Rahmen der Schulausschusssitzung debattiert werden.“ Darüber hinaus gebe es „selbstverständlich einen bremischen Plan für den Fall, dass es keine bundesländerübergreifende gemeinsame Lösung geben wird.“

Wie der aussieht, weiß allerdings die Behörde allein. Skibbe hofft ohnehin, dass es dazu nicht kommen muss: „Wir wollen keine hemdsärmelige Lösung wie eigene Regeln für unsere Abschlüsse“, sagt Skibbe. Das „Bremer Abitur“ werde in anderen Bundesländern schließlich schon genug kritisiert.

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