Verunsicherung wegen Corona in der Kita: „Wir eiern immer herum“
Während alle im Lockdown von Schulen sprechen, wünscht sich die Bremer Kita-Erzieherin Mara Jansen klarere Regeln. Ein Protokoll.
„Als vor den Weihnachtsferien die Nachricht vom Lockdown kam, ging es in den Medien wie die ganze Zeit schon nur um Schulen. Und seit Monaten wird uns erzählt, dass die Ansteckungsgefahr im Kindergarten so gering ist. In meinem Kindergarten hatten wir bisher Glück – anders als die Kolleg*innen in Osterholz, wo 16 von 22 Erzieher*innen infiziert waren. Aber wir sind ja trotzdem betroffen. Ich konnte Weihnachten nur mit meiner Schwester, nicht mit meiner Mutter und meiner Tante feiern.
Sie leben in Berlin, und ich hatte sie alle zu mir eingeladen. Als die Nachricht kam, dass wir Erzieher*innen komplett weiterarbeiten müssen, hat meine Familie abgesagt. Ich war für sie das einzige Infektionsrisiko.
Urlaub konnte ich nicht nehmen, nicht nur, weil meine Kollegin krank war, sondern auch wegen der Kinder. Die waren total aufgeregt und weinerlich. Die sind vor Weihnachten immer durch, aber dieses Jahr ganz besonders. Das liegt bestimmt auch an uns, wir sind ja auch durch und können die Kinder nicht so gut auffangen wie sonst.
An dem Tag habe ich mich so machtlos gefühlt, ich hätte nur heulen können. Es fühlte sich blöd an, dass alles reduziert werden soll, nur wir haben geöffnet. Eltern sollten ihre Kinder freiwillig zu Hause lassen. Ich hätte Regeln für Notbetreuung wie im Frühjahr gut gefunden, dann hätten wir Klarheit gehabt. Es ist ein Riesen-Unterschied, ob ich mit zehn bis 15 Kindern rechnen muss oder nur mit fünf.
Es sind dann in meiner Gruppe nur vier Kinder gekommen. Das hat bestimmt auch mit dem Stadtteil zu tun. Hier arbeiten viele Frauen in Teilzeit oder sind ganz zu Hause. Es gibt nur vereinzelt Kinder, die aus schwierigen Familien kommen. Deshalb weiß ich gar nicht, ob ich die richtige bin, um etwas zu erzählen. Andere hat es doch viel härter getroffen.
Als die Erkältungszeit im Herbst losging mit Husten und Schnupfen, war da schon eine Unsicherheit. Sobald ein Kind gehustet hat, gab es diesen kurzen Blickkontakt unter den Kolleg*innen. Corona? Aber wenn ein Kind weint, nehme ich es auf den Schoß, ich kann den Kindern doch keine körperliche Nähe verweigern.
Wir tragen in unserem Kindergarten nur Masken, wenn wir Kolleg*innen aus anderen Kohorten begegnen. Manchmal habe ich das Gefühl, in zwei Welten zu leben. Hier drinnen ist alles scheinbar normal – und draußen: Hochsicherheit. Ich muss mich manchmal daran erinnern, im Laden eine Maske aufzusetzen.
Wir eiern immer herum, ob es okay ist, mit dem oder dem Symptom zu kommen. Riskiere ich, andere anzustecken? Lasse ich Kolleg*innen im Stich, wenn ich zu Hause bleibe? Wir haben alle ständig etwas, es sind viel mehr Kolleg*innen krank geschrieben als sonst.
Anders als die Kinder, die haben zwar Schnoddernasen, aber die Hygienemaßnahmen scheinen andere Krankheiten wie Magen-Darm zu verhindern. Mich stresst dieses ständige In-den-Körper-hineinhorchen. Ich bin eigentlich nicht zimperlich, aber selbst ich werde jetzt bei leichtem Halskratzen nervös und gehe im Zweifel zum Test.
Weil so viele krank sind, können wir viele Spätdienste nicht mehr anbieten und haben keine Zeit für Vorbereitung. So müssen wir den ganzen Tag mit einer vollen Gruppe durchpowern und haben keine ruhigeren Phasen zum runterkommen. Wir können uns ja nicht mehr gegenseitig in den Gruppen vertreten, weil das Personal nicht gemischt werden soll.
Dabei mussten wir nur selten eine Gruppe ganz schließen, weil wir als Inklusionskindergarten einen guten Personalschlüssel haben. Im nächsten Jahr werden uns leider Stellen gestrichen. Ich bleibe jetzt häufig mal eine Stunde länger, weil es für Eltern schwer ist, von heute auf morgen Alternativen zu organisieren. Aber ich brauche auch mal Zeit für mich.
Für mich wäre es ein echter Lichtblick, wenn sich die Regeln nicht alle paar Wochen ändern würden und man mal einen Fahrplan hätte, in dem verbindlich festgelegt ist, wann welche Maßnahme greift. Das soll es jetzt wohl geben. Im November hatten wir in Bremen eine Zeit eine 7-Tage-Inzidenz von 240. Und es ist nichts passiert, es wurde keine Regel verschärft, alles blieb, wie es war. Das hat mich wütend gemacht.
Dabei geht es einigen Kolleg*innen viel schlechter als mir. Wir haben aber kaum noch Austausch untereinander, nur noch zu den Kolleg*innen einer anderen Gruppe, mit der wir eine Kohorte bilden. Ich habe das Glück, dass meine beste Freundin dort arbeitet, und ich sie viel sehe. Außerdem muss ich immer die Pferde versorgen, weil ich auch als heilpädagogische Reitlehrerin in der Einzelförderung arbeite. Dadurch bin ich viel draußen und habe Ablenkung.
Die Kinder sprechen von sich aus nicht über Corona. Aber bei uns kommt einmal die Woche der Pastor ins Haus, da gibt es die Möglichkeit, eine Bitte oder ein Gebet auszusprechen. Da sagen viele, „bitte mach, dass Corona bald vorbei ist“.“
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