SCHICHTTORTE PANKOW: The Good, the Bad, the Ugly
VON HELMUT HÖGE
Die Ersten, das sind naturgemäß die Ältesten. Und die sind in der DDR noch rüstig. Ihren Widerstandsgeist während der Nazi-Periode retteten sie über die DDR-Zeit quasi als „Schläfer“. Aber seit 89 gilt das Wort von der „nachholenden Entwicklung“ – dem Umbau von der Industrie- in eine Dienstleistungsgesellschaft, vom Disziplinar- zum Überwachungsstaat – auch für die Organisierung des Aufstands (das Meisterstück jedes Kommunisten).
Viele der Ältesten leben in Pankow. Und dort wurde kürzlich die „Mielke-Villa“ in der Stillen Straße von heute sogenannten Senioren besetzt. In dem „Begegnungszentrum“ treffen sich regelmäßig 39 Arbeitsgruppen. Die Medien sind auf ihrer Seite: „Heute wohnen in diesem Winkel von Pankow vor allem Familien, die sich Energiesparhäuser und schicke Bungalows leisten können. Inmitten des neuen Reichtums steht das schlammbraune Haus“, schreibt die SZ. „Das Gelände ist ein Schatz“, wird dazu ein Grundstücksmakler zitiert. Deswegen will der Bezirk die Immobilie auch verkaufen. Die Besetzerin Renate Kelling 77, einst Mathelehrerin, hat „Wut im Bauch, um ehrlich zu sein“. Alles drehe sich nur noch ums Geld. So sieht das auch die ehemalige Französischlehrerin Waltraud: „Die ganze Gegend hier ist von Westlern okkupiert, die Ostler haben ja nicht so das Geld.“
Die Zweiten, das sind die Westbeamten in der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) gleich nebenan in der Präsidialkanzlei des Pankower Schlosses Schönhausen. Dieses beige Gebäude beherbergt den wichtigsten militärpolitischen Thinktank Deutschlands, wie der Frankfurter Politologe Peer Heinelt das Hauptquartier der reaktionären Bellizisten nennt. Geschult werden hier hochrangige Militärs und Beamte des Bundesnachrichtendienstes sowie Manager etlicher Großkonzerne. Der BAKS geht es dabei um den Aufbau eines „exklusiven Netzwerks zwischen Entscheidungsträgern“. Diese sollen sich laut Peer Heinelt „damit identifizieren, dass Gewalt zur Durchsetzung des Zugangs zu Rohstoffen und Märkten ebenso legitim ist wie zur Beseitigung missliebiger Regimes“. Andererseits soll ihnen vor Augen geführt werden, dass „oppositionelles Verhalten in Anbetracht einer lückenlosen Sicherheitsarchitektur keine Chance auf Erfolg hat“.
Die Dritten, das sind die in die ehemaligen Unternehmervillen eingezogenen Besitzer bunter Eigenheime „mit manikürten Gärten und Tennisplatz,“ wie der SZ-Reporter sie vor Ort in Pankow beschrieb. Und das ist noch höflich ausgedrückt, denn in Wirklichkeit sind diese neureichen Kriegsgewinnler, die überwiegend aus dem Westen kommen, noch viel hässlicher. Der Grund: In der DDR überwog der von David Riesman sogenannte innengeleitete Sozialtyp, während in westlichen postindustriellen Wohlstandsgesellschaften der Typus mit konformistischer Außenlenkung dominiert: „Das Verhalten der Anderen wird maßgeblich für das eigene Verhalten; von anderen akzeptiert und für voll genommen zu werden wird zentraler Wert.“
Kurz gesagt: Die außengeleiteten Kaschmir-Wessis sehen in Pankow so was von scheiße aus.
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