taz.berlin-Adventskalender 22: Wer will das denn wissen?
Im taz.berlin-Adventskalender präsentieren wir in diesem Jahr, passend zum Winter-Shutdown, schöne Spiele. Heute: Trivial Pursuit.
Es ist so etwas wie eine Ersatzdroge. „Trivial Pursuit“ ist das Spiel für alle, die sonst nicht wissen, wohin mit ihrem ganzen Angelesenen, Angehörten oder Angesehenen. Leuten wie beispielsweise dem Schreiber dieser Zeilen. Der beschwerte sich schon vor Jahrzehnten mal im Vorstellungsgespräch beim Chefredakteur einer durchaus elitären Zeitung: Niemanden interessiere, dass man genau sagen könne, dass Nebraska der einzige US-Bundesstaat mit nur einer Parlamentskammer sei. Die Antwort des Chefredakteurs: „Wer will das denn auch wissen?“
Ähnlich reagiert auch nun, besagte Jahrzehnte später, schon mal die Familie, wenn man bloß eben eine halbe Stunde lang erklärt, wann und wo Hannibal im Zweiten Punischen Krieg seine Schlachten gewonnen und wo er gegen Scipio auf dieselbe Weise verlor wie die Römer 216 bei Cannae und wie sein Elefant hieß und...
Also muss es Trivial Pursuit sein, das direkt übersetzt belanglose Streben, diese Jagd nach Nebensächlichem. Wer nicht nur gern die Aufstellung der Fußball-WM-Elf von 2014 runterbetet, sondern mindestens auch die von 1954, oder noch weiß, wer gleichzeitig wen in zwei 80er-Jahre-Fernsehserien gespielt hat, der braucht einen in gleicher Weise Gepolten – oder dieses Spiel.
Ganz praktisch besteht es aus einem 50 mal 50 Zentimeter großen Pappspielfeld mit einer Art Wagenrad drauf. Auf dessen Felge und seinen sechs Speichen bewegen sich je nach Würfelglück die Spielfiguren über Felder in sechs Farben – sie stehen für das Wissensfeld, aus dem die Frage kommt, von denen es 6.000 gibt. Dort wo die Speichen in die Felge münden, gibt es bei richtiger Antwort ein Plastikstückchen, die sogenannte Wissensecke, die in einen runden Spielstein zu stecken ist. Wer Ecken aus allen Farben zusammenhat, muss nun noch zur Radmitte kommen und eine Frage beantworten, deren Wissensfeld die Mitspieler festlegen können. Und die nehmen dann natürlich jenes, bei dem der oder die andere zuvor schon mal schwächelte.
Das mit der Ersatzdroge ist natürlich ein Teufelskreis: Je öfter man Trivial Pursuit spielt, je mehr Wissen kommt zusammen, ob trivial oder nutzbringend, und dieses Wissen braucht dann umso mehr eine Arena, die dann wieder die nächste Spielrunde bieten muss. Wobei etwa bei einer Frage aus dem Bereich „Sport und Vergnügen“, wie viele Golfbälle auf dem Mond liegen – angeblich drei – weder die beste humanistische Bildung noch die Lektüre der taz-Leibesübungen weiterhilft.
Erforderlich: mindestens ein in gleicher Weise nerdiger Mitspieler
Zielgruppe: alle, die ein Wissensablassventil brauchen
Wer das spielt, spielt auch: Stadt, Land, Fluss
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