Eine Lehrerin: „Angst, wieder Kids zu verlieren“

Die Corona-Ampel zeigt Rot, daher fahren wir seit Montag das Wechselmodell. Meine Schüler*innen sind 15 bis 16 Jahre alt und heilfroh darüber. Sie hatten Angst, sich mit dem Virus anzustecken – zu Recht. Derzeit sind 300 Schüler*innen in Quarantäne. Hybridunterricht ist in der jetzigen Situation das Beste, was ich mir vorstellen kann. Trotzdem habe ich Angst, wieder Kids zu verlieren – wie im Frühling während des ersten Lockdowns.

Bei einigen ist der Tagesablauf damals ganz schön verrutscht. Manche haben morgens um sechs noch Aufgaben abgeschickt, da sind sie gerade ins Bett gegangen. Wenn ich dann schon wach war, habe ich mit ihnen per Whatsapp geschrieben, um irgendwie Kontakt zu halten. Ein paar Schüler*innen haben aber auch gar nichts abgegeben, da war ich schon froh, wenn wir ab und an mal telefoniert haben.

Mein Vorschlag: diejenigen bevorzugt in Präsenz unterrichten, die im Frühjahr schon Schwierigkeiten mit Homeschooling hatten. Zusätzlich brauchen wir Hausaufgabenhilfen im Kiez, Anlaufstellen für Kinder, die während des Homeschoolings Gewalt erfahren, und Sozialarbeiter*innen, die Kids zu Hause besuchen oder mit ihnen spazieren gehen. Allen voran aber brauchen wir besser ausgestattete Schulen.

An meiner Schule gibt es nicht mal WLAN. Deswegen kann ich die Klassenhälfte, die zu Hause lernt, auch nicht per Video zuschalten. Diese Jugendlichen müssen dann Aufgaben über die Lernplattform „itslearning“ bearbeiten. Viele haben aber keine Laptops und so zerstörte Handy-Displays, dass sie die Arbeitsblätter nicht richtig lesen können. Vom Senat hat meine Klasse sechs Laptops bekommen – längst nicht genug für 20 Schüler*innen. Daher gebe ich ihnen Kopien mit nach Hause, und das im 21. Jahrhundert!

Protokoll: Rieke Wiemann

Katrin S., Lehrerin an einer Sekundarschule in Neukölln; möchte zum Schutz ihrer Schüler*innen anonym bleiben