heute in hamburg
: „Am Ende profitieren die Unternehmen“

Foto: privat

Laura Meschede 26, ist Studentin und freie Journalistin. Für eine Geschichte im SZ-Magazin vor zwei Jahren hat sie selbst als Clickworkerin gearbeitet.

Interview Paula Bäurich

taz: Frau Meschede, Sie haben selbst mal als Clickworkerin bei Amazon gearbeitet. Können Sie die Arbeit empfehlen?

Laura Meschede: Nein, ich würde niemandem dazu raten.

Was genau ist denn Clickworking?

Meistens werden dabei Arbeitsschritte aus Unternehmen ausgelagert. Diese Aufträge werden dann auf Plattformen gesammelt, auf denen man sich registriert. Wenn man sich für eine Aufgabe angemeldet und sie bekommen hat, kann man sie zu Hause erledigen.

Was haben Sie genau gemacht?

Ich habe für die Plattform Amazon Mechanical Turk gearbeitet. Da haben wir Aufgaben übernommen, die Maschinen nicht erledigen können. Zum Beispiel überprüft man auf Dating-Plattformen, ob Fotos jugendfrei sind. Nur in den seltensten Fällen erfährt man allerdings, wozu man die Aufgaben erledigt.

Hört sich recht einfach an. Verdient man damit viel Geld?

Wenn man sich registriert hat und beginnt, Aufgaben zu erledigen, bekommt man am Anfang so gut wie gar kein Geld. Macht man eine bestimmte Aufgabe dann sehr oft gut, steigt die Qualifizierung für diese Aufträge. Daraufhin kann man mehr und besser bezahlte Aufträge erledigen.

Wer arbeitet auf solchen Plattformen?

Menschen weltweit. Alle haben die gleiche Oberfläche und sehen die gleichen Angebote. Das heißt, gewissermaßen konkurriert man in Echtzeit mit Menschen aus Indien oder den USA um die Aufträge. Wer schneller draufklickt, hat den Auftrag. Deswegen lässt man seinen PC automatisch Aufträge annehmen.

Gibt es denn eine zeitliche Begrenzung für das Erledigen?

Ja. Schaffe ich eine Aufgabe nicht in der vorgegebenen Zeit, wird das in meinem Profil vermerkt. Das führt dazu, dass ich weniger Aufträge bekomme und auf der Plattform schlecht bewertet werde. Die Auftraggeber*innen können aber auch einfach entscheiden, dass sie das Ergebnis meiner Arbeit nicht mögen. Dann erhalte ich in der Zukunft weniger Aufträge.

Das hört sich nach großem Druck an.

Ja. Dazu kommen die auch sonst prekären Arbeitsbedingungen. Crowdworker*innen gelten als Solo-Selbstständige. Das bedeutet, dass sie eigene Arbeitsgeräte verwenden müssen und keinen Anspruch auf Urlaub und Rente haben. Am Ende profitieren nur die Unternehmen.

Das Gegenargument ist Flexibilität.

Das ist zumindest bei Mechanical Turk nur ein Scheinargument. Wenn mein Computer für mich einen Auftrag angenommen hat, muss ich sofort mit der Arbeit beginnen, egal ob abends oder sogar nachts.

Reagiert die Politik auf die Probleme?

Die Politik ist Teil des Problems. Die meisten Politiker*innen schüren den Mythos, Clickworking sei eine neue Arbeitsform und müsse deshalb anders behandelt werden. Damit erleichtern sie den Konzernen das Umgehen von Arbeitsrechten. Immerhin hat das Bundesarbeitsministerium vor Kurzem einen Bericht vorgelegt, nach dem es die Einbeziehung von Crowdworker*innen in die gesetzliche Rentenversicherung prüfen will. Für alle Plattformen würde das aber immer noch nicht gelten.

Diskussion„Crowdworking und Plattformen – Digitale Arbeit im globalen Wettbewerb“: 18 Uhr, digital, Anmeldung unter: info@w3-hamburg.de