Sport fordert Lockerungsübungen

Vereine leiden unter Einnahmeausfällen wegen Corona – und vor allem Jugendliche unter Trainingsausfall

Von Marie Gogoll

Den Sportvereinen gehen die Mitglieder flöten. Der Hamburger Sportbund (HSB) zählt bereits jetzt vier Prozent weniger Mitglieder als im Vorjahr. Dabei kommen normalerweise jedes Jahr neue Mitglieder dazu. Vor allem im Bereich Behinderten- und Rehasport sind die Rückgänge erheblich. Auch der Landessportverband Schleswig-Holstein rechnet nach einer Umfrage vor allem in den großen Vereinen mit starkem Mitgliederverlust.

Dass der Sport angesichts dieser Probleme bei der Bund-Länder-Konferenz zu neuen Coronamaßnahmen in der vergangenen Woche nicht thematisiert wurde, kann Ralph Lehnert nicht verstehen: „Ich bin erschreckt und entsetzt, dass der Begriff ‚Sport‘im gesamten Papier nicht ein einziges mal auftaucht“, sagte der Vorstandsvorsitzende des HSB im Hamburger Sportausschuss. Dort haben sie den Sport nicht vergessen, der Ausschuss hatte sich in seiner jüngsten Sitzung die für Lehnert drängende Frage gestellt: „Wie kommt der Sport durch die Coronapandemie?“

Lehnert fordert die Politik auf, etwas zu unternehmen, weil der Sport seine gesellschaftliche Aufgabe aktuell nicht erfüllen könne. Der Hamburger Senat zeigt sich verständnisvoll: „Wenn beim nächsten Treffen mit der Kanzlerin über Lockerungsoptionen für einzelne Bereiche gesprochen wird, muss der Sport auf jeden Fall ein zentrales Thema sein“, sagte Sportsenator Andy Grote auf taz-Anfrage. Politik und Verband sind sich einig, dass dann besonders der Kinder- und Jugendsport im Fokus stehen müsse.

Als erstes norddeutsches Bundesland hat Hamburg bereits auf die Situation reagiert und nach dem ersten im Frühjahr jetzt einen zweiten Nothilfefonds für Vereine eingerichtet. Von den insgesamt vier Millionen Euro kann ein Club maximal 40.000 Euro bekommen. Das würde bei monatlichen Defiziten einiger Vereine von über 100.000 Euro wohl nicht ausreichen, befürchtet der Hamburger Sportbund.

Es fehlt viel mehr als Geld

Auch Schleswig-Holstein will künftig zusätzliche Summen bereitstellen. Anders als in Hamburg ist der Verband hier optimistisch, dass das Land wie schon im ersten Lockdown ausreichende Mittel zur Verfügung stellen wird. Zusätzliches Geld helfe in Schleswig-Holstein allerdings nur den wenigsten, sagt Thomas Niggemann vom Landessportbund. Er erklärt, in Schleswig-Holstein seien hauptsächlich die „Großen“ von Mitgliederverlusten und finanzieller Notlage betroffen. Clubs mit 1.000 Mitgliedern und mehr könnten deshalb mehr Geld vom Land gut gebrauchen, allerdings machen die nur einen Bruchteil der insgesamt 2.600 holsteinischen Vereine aus. „Die kleineren sind meist traditionelle Vereine auf dem Land, da ist die Treue groß“, so Niggemann. Viel verheerender als die wirtschaftlichen Probleme seien dort die sozialen und psychischen Folgen, die durch den fehlenden Sport entstünden.

Oliver Hausen trainiert normalerweise beim Ahrensburger TSV die Boxabteilung. Bei ihm falle derzeit nicht nur das Sparring weg, sondern damit für einige Jugendliche auch die Chance, Aggressionen auf sportlichem Weg loszuwerden. Als Boxtrainer leistet Hausen auch Gewaltprävention. „Das Training ist ein Ventil“, meint er, „jetzt müssen sich viele natürlich anders ausleben.“