Zu wenig zum Leben

Minijobber*innen leiden besonders unter der Coronapandemie. Doch auch die Zahl derer, die zwar sozialversichert sind, aber dennoch prekär verdienen, ist in Bremen hoch

Putzen im Tunnel am Ende des Lichts: Bunt kann sie sein, die Welt des Minijobbens. Schön ist sie nicht Foto: Foto:Sven Simon/imago

VonJan Zier

In Bremen gab es im vergangenen Jahr über 15.000 Menschen, die zwar mehr als 850, aber weniger als 1.300 Euro im Monat verdient haben. Das geht aus einer Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion hervor.

Die Zahl der so genannten „Midijobs“ hat in Bremen im vergangenen Jahr rasant zugenommen: 2019 gab es 29.104 solcher Beschäftigungsverhältnisse, bei denen man mehr als die bei Minijobs üblichen 450 Euro verdient, aber immer noch prekär beschäftigt ist. 2018 waren es noch 11.684. Jedoch wurde im Sommer vergangenen Jahres die Verdienstobergrenze für diese Midijobs von 850 auf 1.300 Euro angehoben, so dass nun deutlich mehr Menschen von der Statistik erfasst werden.

Im Gegensatz zu Minijobs sind Midijobs nicht steuerbegünstigt. Midijobber*innen erwerben aber seit vergangenem Jahr – anders als zuvor – trotz der für sie reduzierten Rentenbeiträge Rentenansprüche in voller Höhe. Wie bei den Minijobs auch sind es vor allem Frauen, die Midijobs machen: Nur etwa ein Drittel der Betroffenen in Bremen ist männlich. Die Zahl der Bremer*innen, die zwar sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, aber gleichwohl maximal 850 Euro im Monat verdienen, hat zuletzt eher abgenommen – 2014 waren es rund 12.600, bis 2018 sank die Zahl auf knapp 11.700. Schreibt man diese Entwicklung fort, bleiben jedoch rein rechnerisch über 15.000 Bremer*innen, die 2019 als sozialversicherungspflichtig, jedoch prekär Beschäftigte nun überhaupt erst einmal erfasst werden und im Monat nur 850 bis 1.300 Euro verdienen.

Zum Vergleich: Die Armutsschwelle liegt laut Statistischem Bundesamt bei 1.074 Euro für einen Einpersonenhaushalt. Das sind 60 Prozent eines durchschnittlichen Haushaltseinkommens. Wer weniger Geld zur Verfügung hat, gilt als „armutsgefährdet“.

Im Mittelpunkt der politischen Debatte und auch der Anfrage der SPD-Fraktion stehen aber die Minijobs. Deren Zahl ist in Bremen in den letzten fünf Jahren auf hohem Niveau relativ stabil und liegt in der Stadt Bremen bei rund 60.000, in Bremerhaven bei etwa 10.000. Da wie dort sind Frauen häufiger geringfügig beschäftigt als Männer. Ende März dieses Jahres lag ihr Anteil bremenweit bei 56 Prozent. Die meisten – jeweils etwa 11.000 – Minijobs in Bremen gibt es nach wie vor bei den „wirtschaftlichen Dienstleistungen“ und im Gastgewerbe.

In Bremen arbeiten laut Senat Ende September 1.105 Minijobber*innen im öffentlichen Dienst von Stadt und Land

Frauen finden sich zudem überdurchschnittlich häufig in privaten Haushalten geringfügig entlohnt. Über 5.000 solcher Minijobs gibt es in Bremen. Auch der öffentliche Dienst beschäftigt Minijobber*innen. Ende September waren es in Bremen laut Senat 1.105. Davon entfallen 410 auf die Stadt Bremerhaven. Wie viele Minijobber*innen der Staat früher beschäftigt hat, dazu macht der Senat in seiner Antwort keine Angaben.

Zugleich gibt es in der Statistik erste Hinweise darauf, dass Minijobber*innen überdurchschnittlich stark von der Corona­pandemie betroffen sind. So hat ihre Zahl von Juli 2019 bis Juli 2020 bundesweit um 5,6 Prozent abgenommen, die der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aber nur um 0,8 Prozent. Das entspricht auch der Erfahrung, die SPD-Arbeitsmarktspolitikerin Jasmina Heritani in Gröpelingen macht, wo sie selbst lebt. Gerade in der Gastronomie seien zahlreiche Minijobs weggefallen, und die Betroffenen hätten „keinerlei soziale Absicherung“. Denn Minijobber*innen haben keinen Anspruch auf Arbeitslosen- oder Kurzarbeitergeld. Ingo Schierenbeck, Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer, plädiert deshalb schon länger dafür, die finanzielle Absicherung geringfügig Beschäftigter zu verbessern. Gerade Alleinerziehende seien oft auf Minijobs angewiesen. Wenn in einer Familie der eine seinen Minijob verliere und der andere nur noch Kurzarbeitergeld bekomme, liege das Familieneinkommen oft „gerade noch über dem Sozialhilfesatz“, so Heritani: „Das kann kein Zustand sein.“

Der Senat setzt sich nach eigenem Bekunden im Bund dafür ein, geringfügig bezahlte Jobs einzuschränken. Zudem votiert er gegen die Anhebung der Verdienstgrenze auf 500 Euro, wie sie derzeit diskutiert wird. Das stehe dem Ziel entgegen, aus Minijobs sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu machen.