Die Wahrheit: Im weißen Haus von Spatzenhausen

Nicht nur in Washington tobt ein brutaler Kampf um die Macht. Auch andernorts werden alle erdenklichen Mittel eingesetzt.

Es geht um die Regierung in den kommenden vier Jahren. Wer wird Chef und darf über das Fernsehprogramm bestimmen, und wer muss als Opposition den Abwasch übernehmen? Das weiße Haus in Spatzenhausen vibriert vor Aufregung. So eng war das Rennen noch nie, denn der Liebste und ich ringen um nur eine einzige Wählerstimme. Der Wähler ist getigert und verfügt über vier Pfoten, mit denen er aber leider nicht schreiben kann.

Wir haben ihn beide intensiv umworben. Während ich auf zärtliche Bauchmassagen nach dem Frühstück setzte, hat der Liebste das Mistvieh mit riesigen Katzenmilchgaben bestochen. Nun präsentiert der Mann, den ich geheiratet habe, bevor ich wusste, wie hartnäckig er sein kann, einen Pfotenabdruck auf dem Einkaufszettel und erklärt sich zum Sieger. „Fake News!“, rufe ich, „das ist bestenfalls eine Filetbestellung, aber niemals eine Stimme!“

„Du kannst nur nicht verlieren“, kontert der Liebste kühl.

„Das kann schon sein, aber das muss ich auch gar nicht können, weil ich nämlich nicht verlieren werde.“ Vor der Wahl habe ich extra einen Volkshochschulkurs in Schnippischsein belegt. Schließlich kann ich mir keine teure Medienberatung leisten. Mein Politikberater hatte schon vor der heißen Phase gekündigt. 2020 sei einfach zu viel für ihn.

Der Liebste hält mir den Zettel noch einmal hin und deutet mit der anderen Hand auf das schmutzige Geschirr.

„Nein, nein, wir müssen noch die Briefwahlunterlagen abwarten“, erkläre ich. Tatsächlich ruft kurz darauf die Poststelle aus der Dorfmitte an, aber sie berichtet nicht von verschwundenen Wählerstimmen, sondern vom Paket eines Schuhversands.

„Gib auf!“, verlangt der Liebste. – „Niemals!“, zische ich. „Was ist mit dem Gummibaum? Er sollte auch wählen dürfen!“

„Soll ich das jetzt zurückschicken, oder wie?“, fragt die Postlerin durchs Telefon.

„Ich habe gar keine Benachrichtigungskarte bekommen.“

„Das kann nicht sein.“

Habe ich aber wirklich nicht. Und wenn die Benachrichtigung weg ist, kann leider auch meine selbst gefälschte Briefwahlstimme in der überforderten Post verloren gegangen sein.

Was mache ich jetzt? Am besten, ich positioniere meine Anwälte zur Pressekonferenz vor der Biogas-Anlage. Wahrscheinlich kommt kein Schwein, aber keine Rechtsberater und keine Medien? Das sähe nach Aufgeben aus.

„Du hast gar keine Anwälte“, meint mein renitenter Kontrahent, „du hast noch nicht einmal einen Anwalt. Und die Biogas-Anlage gehört dir auch nicht.“

„Sagt wer? Du hast den Wähler bestochen! Das ist so 2020!“

„Lenk nicht ab. You’re out“, sagt der Liebste, der den Kater im Arm hält. Das Verrätertier kuschelt sich bei ihm an und schnurrt mit allen im pelzigen Leib verfügbaren Dezibel.

„Ich kann euch nicht hören!“, rufe ich. So macht es der Amerikaner schließlich auch. Und jetzt kette ich mich so lange an die Fernbedienung, bis die Realität aufgibt.

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kari

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