heute in hamburg
: „Supergau für die westliche Allianz“

Diskussion „Neue Weltunordnung: Amerika hat die Wahl“ mit Joschka Fischer und Michael Werz: 19 Uhr, Video-Livestream unter https://www.koerber-stiftung.de

Interview Paula Bäurich

taz: Herr Werz, hat Trump als US-amerikanischer Präsident die Welt neu geordnet?

Michael Werz: Nein, er hat vor allem Unordnung gestiftet, indem er die demokratischen Institutionen und Kontrollmechanismen unterminiert und zerstört und sich außenpolitisch in eine Allianz mit Autokraten begeben hat. Das schließt direkte Angriffe auf die Alliierten und Partner im Westen ein sowie eine Schwächung des multilateralen Systems.

Welche Auswirkungen hat diese Politik für Europa?

Für Europa sind die Auswirkungen ganz unmittelbar spürbar. Zum einen gibt es Auseinandersetzungen um Zoll- und Handelsfragen. Zum anderen konnten nicht-demokratische Regimes wie China oder Russland ihren Einfluss vergrößern, da die USA nicht mehr als Korrektiv und Partner der europäischen Staaten agieren. Hinzu kommt, dass Europa in einer Zeit, in der die Welt in Unordnung ist, mehr denn je multilaterale Institutionen benötigt, um Probleme wie den Klimawandel zu bearbeiten. Diese Strukturen wurden dramatisch geschwächt. Trump hat die Europäer insgesamt in eine sehr schwierige Situation gebracht.

Welche Möglichkeiten hat Europa, darauf zu reagieren?

Foto: privat

Michael Werz,56, arbeitet am Center for American Progress mit den Schwerpunkten transatlantische Beziehungen und Außenpolitik.

Die Präsidentschaft Trumps ist ein Supergau für die westliche Allianz, da bestimmte Dinge einfach nicht ohne die Vereinigten Staaten funktionieren. Europa hat nur begrenzte Möglichkeiten, sich international politisch zu positionieren, da zum Beispiel Deutschland ökonomisch so enorm von China abhängig ist. Trotzdem muss Europa darüber debattieren, wie es sich stärker international aufstellen kann.

Welche Erwartungen hätten Sie an Joe Biden, sollte er die Wahl gewinnen?

Biden stellt zunächst völlig richtig klar, dass man nicht erwarten dürfe, dass es eine Rückkehr zu den goldenen 90er-Jahren des transatlantischen Verhältnisses gibt. Stattdessen warten zunächst enorme innenpolitische Aufgaben auf die USA, die gelöst werden müssen, um auch international wieder an Reputation zu gewinnen. Zudem kommt es nicht nur auf Willensbekundungen aus Washington an, sondern auch auf die Frage, ob die internationalen Partner bereit sind, der amerikanischen Regierung wieder zu vertrauen. Das bedeutet auch, dass Europa und insbesondere Deutschland große Möglichkeiten hat, die amerikanische Außenpolitik und neue multilaterale Strukturen zu beeinflussen.